Immer mehr Menschen wollen ihr Geld nachhaltiger anlegen. Um derartige Investitionen zu ermöglichen, gibt es Labels, die den Finanzprodukten ein Mindestmaß an Nachhaltigkeit bescheinigen. Nach welchen Kriterien erfolgt die Vergabe dieser Labels? Halten sie wirklich, was sie versprechen? Diese und mehr Fragen beantwortet Simone Wagner von der Professur für Management and Sustainability der Universität Hamburg in diesem Beitrag.
Geld stinkt nicht, lautet eine bekannte lateinische Redewendung. Würden Sie dem zustimmen? Glücklicherweise ist diese heutzutage nicht mehr wörtlich anzuwenden, wenngleich das „saubere“ Investieren als beliebter Google-Suchbegriff in 0,41 Sekunden bereits 666.000 Ergebnisse liefert.
Was wird unter dem Begriff der nachhaltigen Geldanlagen verstanden? Oft wird behauptet, dass dieser beziehungsweise der Begriff „Nachhaltigkeit“ an sich nicht definiert ist. Das stimmt so nicht: Sowohl für nachhaltige Geldanlagen (wie in der Darmstädter Definition (vgl. Hoffmann, Scherhorn & Busch, 2004)) als auch für Nachhaltigkeit (im Brundtland-Bericht (vgl. Hauff, 1987)) gibt es feste Definitionen. Es ist richtig, dass diese Begriffsbestimmungen zahlreiche Aspekte umfassen und genauere Interpretationen benötigen. Beispielsweise sind nachhaltige Investments für den einen der Ausschluss von Kinderarbeit, für den anderen die Fokussierung auf erneuerbare Energien, um das Portfolio „sauber“ aufzustellen. Zwar stehen beide Investmentanforderungen im Nachhaltigkeits-Kontext, beleuchten aber unterschiedliche Facetten. Daher stellt sich die Frage: Was sollten nachhaltige Geldanlagen mindestens umfassen? Was sollte auf keinen Fall darin enthalten sein? Um hierfür Standards zu etablieren, eignen sich insbesondere Nachhaltigkeitslabels.
Nachdem bereits der Begriff „nachhaltige Geldanlage“ unterschiedlich verstanden wird, ist es kaum verwunderlich, dass auch der Grad an Nachhaltigkeit eine Flut an Metriken nach sich zieht. Wenn man zum Beispiel in eine komplett „saubere“ Geldanlage investieren möchte, könnte eine 100-prozentig ökologische Investition bevorzugt werden. Für diesen Fall dürften die Gelder nur so angelegt sein: 100 Prozent erneuerbare Energie und Kreislaufwirtschaft – es dürfte also kein CO2 emittiert werden und alles müsste recycelt werden. Diese Basis lässt sich auch auf andere Bereiche wie soziale und Themen der Unternehmensführung übertragen. Aber ist dies insbesondere für ein breit aufgestelltes Portfolio realistisch? Sicher nicht – daher müssen Abstriche gemacht werden. Und genau an dieser Stelle muss definiert werden, was vertretbar ist beziehungsweise welche Grenzen gesteckt werden. Hierfür bieten sich Nachhaltigkeitslabels ebenfalls an.
Was sollten diese Nachhaltigkeitslabels also leisten? Übergeordnet ist die Transparenz im Finanzmarkt für ein funktionierendes System von entscheidender Bedeutung. So kann die systematische Aufbereitung von Nachhaltigkeitsinformationen zum Abbau von Informationsasymmetrie führen. Daneben kann der Aufwand, ein passendes Produkt zu suchen, insbesondere für private Investor:innen verringert werden. Studien haben in diesem Zusammenhang aufgezeigt, dass sich insbesondere Investor:innen, die intuitiv handeln, bei ihrer Investitionsentscheidung an Siegeln orientieren. Das sogenannte „Nudging“ (englisch für „Anstoßen“) animiert zur Wahl des nachhaltigeren Vermögensgegenstands (vgl. Bassen et al., 2018). Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass es Limitationen gibt. Genauso wie 100 Prozent nachhaltiges Wirtschaften für die meisten Sektoren unmöglich ist, sondern es vielmehr darauf ankommt, vielerlei Anstrengungen für eine nach- haltigere Wirtschaft zu unternehmen, so können auch Nachhaltigkeitslabels „nur“ Best Practice attestieren. Die Universität Hamburg erfährt dahingehend im Rahmen ihrer Auditoren-Rolle für den Qualitätsstandard Nachhaltiger Geldanlagen, das FNG-Siegel vom Forum Nachhaltige Geldanlagen, praxisnahe Einblicke.
Warum nur Investmentfonds? Abhängig von den zu prüfenden Produktanforderungen ist es erforderlich, dass sich auch die Labels in ihrer Leistung entsprechend unterscheiden. So sind die Eigenschaften von der Einzelinvestition in Immobilien und die in Fonds grundlegend unterschiedlich und stellen daher auch andere Prüfungsanforderungen. Der Siegelvergabeprozess für Investmentfonds ist das Herzstück des FNG-Siegels. In Verbindung mit der Auditoren-Tätigkeit entwickelt die Universität Hamburg zusammen mit anderen Interessenvertreter:innen das Siegel stetig weiter. Wichtiger Bestandteil dieser praxisnahen Arbeit ist der Dialog mit den Bewerber:innen, deren Investmentfonds durch das Siegel geprüft werden. Durch diesen Informationsaustausch mit zahlreichen Fondsboutiquen, Asset Managern und Banken entstehen Handlungsempfehlungen, die einen direkten Effekt (Impact) auf die Wirtschaft haben.
Die Glaubwürdigkeit eines Siegels beginnt mit den Anforderungen an die Trägerorganisation. Wenn ein Gütezeichen aus einer Branche heraus entwickelt wird, kann der Eindruck entstehen, dass die jeweiligen Branchenmitglieder bevorzugt behandelt werden. Dem kann nur mit einer soliden Governance entgegengewirkt werden. Im Falle des FNG-Siegel sind die Universität Hamburg in ihrer Auditoren-Rolle und das Siegelkomitee mit externen Expert:innen (Vertretung verschiedener Stakeholder) als weitere Beratungs- und Überwachungsinstanzen im Siegelvergabeprozess verankert.
Im Rahmen der Titelauswahl für ein Portfolio steht oft eine Negativselektion an erster Stelle. Hierdurch werden Titel, meist nach Industriezweig oder Geschäftspraktik, aus den möglichen Anlagen eines Finanzprodukts ausgeschlossen. Kontroverse Praktiken können beispielsweise durch anerkannte Normen-Standards von Anfang an wegfallen. Allerdings gibt es dafür keine übergeordnete Institution, die Verstöße überwacht, sodass in der Praxis individuelle Bewertungen über einen Regelverstoß entscheiden. Des Weiteren können im Zuge des Ausschlusses von Industrien Umsatz- oder Kapazitätstoleranzen definiert werden. Als Beispiel aus dem FNG-Siegel: Unternehmen mit mehr als fünf Prozent Umsatz aus dem Kohlebergbau.
Ein Portfolio ist nicht statisch, es kommt regelmäßig zu einem Umschlag von darin enthaltenen Investments. Um eine Echtzeit-Überwachung vornehmen zu können, müssten alle Handelsent- scheidungen laufend überwacht werden, was operativ zum Beispiel wegen Abläufen in den jeweiligen Depotbanken nicht realisierbar ist. Das FNG-Siegel prüft deshalb jährlich die Kriterien und schaut sich rückwirkend Portfolios an. Dabei werden auch interne Abläufe analysiert und die Bewerber:innen müssen belegen, dass sie Prozesse eingerichtet haben, um die Ausschlüsse kontinuierlich zu gewährleisten. Im Zuge der nun mehrjährigen Prüfung des FNG-Siegels kann eine direkte Wirkung festgestellt werden: Portfolios werden nachhaltiger gestaltet – Titel werden verkauft, Engagement-Aktivitäten ausgebaut und Reportings erweitert.
Die Reichweite des Arbeitens im Bereich nachhaltiger Geldanlagen ist immens. Abgesehen von Tätigkeiten, die sowohl theoretische Fundamente als auch deren praktische Implementierung beinhalten, ist die Wirkung weitreichend: Sie tangiert die Etablierung grundlegender Pfeiler für Transparenz und die direkte Unterstützung der Endverbraucher:innen. Darüber hinaus ist man bei der Umlenkung von Geldern in Richtung (mehr) Nachhaltigkeit und der Prägung von Unternehmens- sowie Investitionsstrategien beteiligt. Sie können sich also sowohl bei der Berufs- als auch Investitionswahl entscheiden, ob ihr Geld „stinkt“ – oder eben nicht.
Simone Wagner ist seit 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Professur für Management and Sustainability der Universität Hamburg. Sie beschäftigt sich mit nachhaltigen Geldanlagen und ist im Rahmen des FNG-Siegels für Analysesteuerung und ‑überwachung zuständig.
Quellenangaben:
Hoffmann, J., Scherhorn, J. & Busch, J. (2004): Darmstädter Definition Nachhaltiger Geldanlagen. Wuppertal Spezial, No. 31.
Hauff, V. (Hrsg.) (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Greven.
Bassen, A., Gödker, K., Lüdeke-Freund, F. & Oll, J. (2019): Climate Information in Retail Investors’ Decision-Making: Evidence from a Choice Experiment. Organization & Environment, Vol. 32, No. 1, 62–82.