An der Umset­zung eines Wan­dels müs­sen sich alle beteiligen

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Eine sinn­stif­ten­de Arbeit ist selbst­ver­ständ­lich auch in der For­schung mög­lich. Das Fraun­ho­fer-Insti­tut für Pro­duk­ti­ons­tech­nik und Auto­ma­ti­sie­rung (IPA) setzt dar­auf, dass auch in der For­schung rich­tig mit den Res­sour­cen umge­gan­gen wird. Wel­che Berufs­ein­stei­ger sich am wohls­ten dort füh­len und wel­che For­schungs­pro­jek­te für eine nach­hal­ti­ge­re Welt sor­gen, lest ihr im Inter­view mit Insti­tuts­lei­ter Prof. Dr. Alex­an­der Sau­er.

Herr Prof. Sau­er, wel­che Bestre­bun­gen hat das Fraun­ho­fer IPA für das Gemein­wohl und die Umwelt?
Wir wol­len, wie wahr­schein­lich jedes nach­hal­tig ori­en­tier­te Unter­neh­men, die Welt bes­ser hin­ter­las­sen als wir sie vor­ge­fun­den haben. Dass die­ses Ziel zwar anzu­stre­ben, aber nicht wirk­lich zu errei­chen ist, dürf­te jedem klar sein. Den­noch arbei­ten wir Tag für Tag auf die­ses Ziel hin: mit viel­fäl­ti­gen Ideen, in inter­dis­zi­pli­nä­ren Teams und dem Mut und der Krea­ti­vi­tät, Neu­es zu wagen.  

Wel­che Bedeu­tung hat nach­hal­ti­ges Wirt­schaf­ten für Ihr Haus heu­te und wel­chen Weg sind Sie dafür gegan­gen?
Nach­hal­tig­keit ist fes­ter Bestand­teil der Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur der Fraun­ho­fer-Gesell­schaft. Das Fraun­ho­fer IPA ins­ge­samt, aber ins­be­son­de­re auch der von mir pri­mär ver­ant­wor­te­te Bereich Res­sour­cen­ef­fi­zi­enz in der Pro­duk­ti­on wur­de auf­ge­baut und fort­ent­wi­ckelt, um einen Bei­trag zu leis­ten, den Wirt­schafts­stand­ort Deutsch­land wei­ter res­sour­cen­ef­fi­zi­ent nach vorn zu brin­gen. Das hat weni­ger mit Gut­men­schen­tum zu tun, son­dern ist schlicht eine Not­wen­dig­keit, um den Wohl­stand zu sichern. Am Stand­ort Stutt­gart, an dem es neben uns vier wei­te­re Fraun­ho­fer-Insti­tu­te gibt, spielt Nach­hal­tig­keit natür­lich auch eine Rol­le. Mit­ar­bei­ten­de ste­hen zum Bei­spiel in der Initia­ti­ve Ultraef­fi­zi­enz­fa­brik insti­tuts­über­grei­fend in engem Aus­tausch.

Damit ist das The­ma Nach­hal­tig­keit Insti­tuts­über­grei­fend wich­tig – durch die Kli­ma­dis­kus­si­on kann sich kaum ein Unter­neh­men erlau­ben, sich nicht mit Nach­hal­tig­keits­fra­gen zu beschäf­ti­gen. Wie gut schät­zen Sie das Bestre­ben aller ins­ge­samt ein?
Wir sind nicht ganz schlecht, aber längst nicht gut genug. Viel von dem was wir tun wird ja durch den soge­nann­ten Rebound-Effekt auf­ge­ho­ben. Sie ken­nen das im Klei­nen: wenn der neue ener­gie­ef­fi­zi­en­te Kühl­schrank auf dem Markt und ange­schafft ist, läuft der alte Strom­fres­ser im Kel­ler meist wei­ter. Tat­sa­che ist, dass wir immer mehr, nicht etwa weni­ger Res­sour­cen ver­brau­chen. Ohne mas­si­ves Umden­ken im Sin­ne eines Para­dig­men­wech­sels, kön­nen unse­re Bemü­hun­gen kei­ne ech­te Wir­kung zei­ti­gen. Eini­ge jun­ge Men­schen sto­ßen mit Fri­days-for-Future da etwas an, umset­zen müs­sen wir es: die Wis­sen­schaft, die Wirt­schaft, die Poli­tik, die Gesellschaft…

Univ.-Prof- Dr.-Ing. Dipl-Kfm. Alex­an­der Sau­er stu­dier­te und pro­mo­vier­te an der RWTH Aachen. Danach zog es ihn zunächst in die freie Wirt­schaft bevor er an der Hoch­schu­le für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten Mün­chen die Pro­fes­sur für Fer­ti­gungs­tech­nik über­nahm. In der For­schung blieb er und lei­tet nun seit die­sem Jahr das Fraun­ho­fer-Insti­tut für Pro­duk­ti­ons­tech­nik und Auto­ma­ti­sie­rung IPA in Stutt­gart. Neben der Lei­tung des Insti­tuts ist er noch in eini­gen Gre­mi­en tätig. 

Als einer die­ser vier: Wie genau ver­su­chen Sie Ihren Bei­trag dazu zu leis­ten und auch ande­re mit ein­zu­be­zie­hen?
Unse­re Tech­no­lo­gie­ent­wick­lun­gen wie indus­tri­el­le Gleich­strom­ver­sor­gung, genannt DC Indus­trie, ener­gie­ef­fi­zi­en­te Beschich­tungs­sys­te­me und Absaug­an­la­gen oder aber auch das Bat­te­rie­re­cy­cling redu­zie­ren ganz kon­kret die Men­ge an Mate­ri­al, Flä­che und Ener­gie, die für die Pro­duk­ti­on benö­tigt wird. Auf unse­ren zahl­rei­chen Ver­an­stal­tun­gen holen wir dar­über hin­aus jeweils Poli­ti­ker, Unter­neh­men und Wis­sen­schaft­le­rIn­nen zu einem Dis­kurs zusam­men und geben in Stu­di­en ganz kon­kre­te Hand­lungs­emp­feh­lun­gen an Ver­bän­de, Indus­trie und Poli­tik, wie bei­spiels­wei­se die Ener­gie­wen­de oder die Digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on zu schaf­fen sind.

An wel­chen span­nen­den Pro­jek­ten arbei­tet Ihr Insti­tut gera­de, um einen wert­vol­len öko­lo­gi­schen, tech­no­lo­gi­schen oder gesell­schaft­li­chen Bei­trag für mehr Nach­hal­tig­keit und All­ge­mein­wohl leis­ten zu kön­nen?
Mit unse­rem rela­tiv neu­en For­schungs­ge­biet der Bio­in­tel­li­genz ver­bin­den wir Tech­nik mit Bio­lo­gie und Infor­ma­ti­ons­tech­nik – wir arbei­ten hier inter­dis­zi­pli­när mit Bio­lo­gen, Bio­tech­no­lo­gen, Infor­ma­ti­kern dar­an, zum Bei­spiel Was­ser­stoff bak­te­ri­ell aus Abfäl­len zu pro­du­zie­ren und die viel­fäl­ti­gen Poten­zia­le der Bio­lo­gie für uns nutz­bar zu machen – zum Bei­spiel durch bes­se­re Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Bio­lo­gie und Tech­nik. Für das Öko­sys­tem wäre das dann kei­ne Be‑, son­dern eine Ent­las­tung. 100 Pro­zent geschlos­se­ne tech­ni­sche und bio­lo­gi­sche Kreis­läu­fe sind dafür die Vor­aus­set­zung. An einem sol­chen Para­dig­men­wech­sel, der soge­nann­ten Bio­lo­gi­schen Trans­for­ma­ti­on, arbei­ten wir aktu­ell inten­siv mit.

Für Berufs­ein­stei­ger ist die Fra­ge, wie sinn­stif­tend sie in ihrem Beruf arbei­ten kön­nen, eine ganz zen­tra­le. Wel­che Visi­on von Zukunft kön­nen Sie für die­je­ni­gen (Hoch­schul­ab­sol­ven­ten) ent­wer­fen, die Sie dabei beglei­ten möch­ten?
Die Fra­ge, die sich jeder, der bei uns arbei­ten möch­te, am Anfang stel­len soll­te, lau­tet: Wie viel For­scher­geist steckt in mir? Wenn die Ant­wort „viel“ lau­tet, dann ist das schon mal die hal­be Mie­te. Hin­zu kommt, sich mit The­men zu beschäf­ti­gen, die eine gesell­schaft­li­che Rele­vanz haben – sowohl im Gro­ßen als auch im Klei­nen. Neh­men wir das gro­ße The­men­feld „Per­so­na­li­sier­te Medi­zin“. Unse­re lang­jäh­ri­ge Erfah­rung in der Auto­ma­ti­sie­rung, Fle­xi­bi­li­sie­rung und Opti­mie­rung von Pro­duk­ti­ons­pro­zes­sen – von der Labor­ar­beit über die Her­stel­lung neu­er Medi­ka­men­te bis hin zur Vor­sor­ge – hilft heu­te dabei, Wege für eine bezahl­ba­re Gesund­heit von mor­gen zu fin­den. Im Gegen­satz dazu ein ver­gleichs­wei­se klei­nes The­ma: Der »Green Wall Robot« pflegt dort, wo der Mensch nur schwer hin­kommt. For­scher des Fraun­ho­fer IPA und der Uni­ver­si­tät Stutt­gart haben eine auto­ma­ti­sier­te Fas­sa­den­be­grü­nung mit modu­la­rem Auf­bau ent­wi­ckelt. Sie soll die auf­wen­di­ge und teu­re manu­el­le Pfle­ge ver­ein­fa­chen. Sie sehen: Die Spiel­wie­se ist groß – nicht nur für Inge­nieu­re. Auch Sport­wis­sen­schaft­ler, Bio­lo­gen und Infor­ma­ti­ker kön­nen an unse­rem Insti­tut einen wich­ti­gen Bei­trag für die Zukunft leisten. 

Wie wich­tig ist es für Sie per­sön­lich, dass Arbeit sinn­stif­tend sein muss? (… und an wel­chen Stel­len erfah­ren Sie Bestä­ti­gung dafür, genau dort zu sein, wo sie sein möch­ten).
Um die Extramei­le zu gehen, die not­wen­dig ist um über sich selbst hin­aus­zu­wach­sen und etwas zu ver­än­dern, ist es mei­nes Erach­tens abso­lut not­wen­dig, dass man einen Sinn in dem sieht, was man tut. Ich bekom­me in gro­ßer Regel­mä­ßig­keit eine posi­ti­ve Rück­mel­dung über die Sinn­haf­tig­keit mei­ner Arbeit: In den tol­len Inno­va­tio­nen, die die Insti­tuts­an­ge­hö­ri­gen ent­wi­ckeln, über die per­sön­li­che Wei­ter­ent­wick­lung der ein­zel­nen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter wäh­rend ihrer Zeit am Insti­tut und auch in der Zeit danach, wenn sie das bei uns Erlern­te in der Indus­trie erfolg­reich ein­set­zen und wei­ter­ent­wi­ckeln.  Ich bin davon über­zeugt, dass in mei­nem Fall ein wesent­li­cher Schlüs­sel dar­in liegt, dass ich die Frei­hei­ten und Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten, die ich in mei­ner Funk­ti­on als Lei­ter eines Uni­ver­si­täts­in­sti­tuts und des Fraun­ho­fer IPA habe, in einem größt­mög­li­chen Maß an alle Insti­tuts­an­ge­hö­ri­gen weitergebe.

Das Fraun­ho­fer-Insti­tut für Pro­duk­ti­ons­tech­nik und Auto­ma­ti­sie­rung (IPA) wur­de 1959 gegrün­det und ist mitt­ler­wei­le an vier Stand­or­ten in Deutsch­land zu fin­den: Stutt­gart, Reut­lin­gen, Mann­heim und Bay­reuth. Etwa 1.000 Mitarbeiter:innen wer­den hier in der For­schung beschäftigt.

Metho­den, Kom­po­nen­ten und Gerä­te bis hin zu kom­plet­ten Maschi­nen und Anla­gen wer­den von uns ent­wi­ckelt, erprobt und exem­pla­risch ein­ge­setzt. 15 Fach­ab­tei­lun­gen decken den gesam­ten Bereich der Pro­duk­ti­ons­tech­nik ab und wer­den durch die 6 Geschäfts­fel­der Auto­mo­ti­ve, Maschi­nen- und Anla­gen­bau, Elek­tro­nik und Mikro­sys­tem­tech­nik, Ener­gie, Medi­zin- und Bio­tech­nik sowie Pro­zess­in­dus­trie koordiniert.

In der Ein­gren­zung des The­mas „Arbeit­ge­ber, die hel­fen, die Welt bes­ser zu machen“ haben wir den Befrag­ten auch die Unter­neh­mens­kul­tur als ein Instru­ment genannt, über das die Gesell­schaft posi­tiv beein­flusst wer­den kann. Wie gestal­tet sich das Mit­ein­an­der bei Ihnen im Insti­tut?
Wir sind wahr­schein­lich nicht gera­de des­halb ein inter­es­san­ter Arbeit­ge­ber, weil unse­re Mit­ar­bei­ten­den hier „alt“ wer­den kön­nen oder gar, weil sie Gehäl­ter bezie­hen, die in der Indus­trie üblich sind. Das trifft nicht zu. Aber: Die jun­gen Absol­ven­ten haben sehr viel Frei­heit, sich zu ent­fal­ten, eige­ne Ideen vor­an­zu­trei­ben. Zum Bei­spiel was ihre Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on angeht. Sie kön­nen nicht nur im Home Office arbei­ten und Erzie­hungs-/Pfle­ge­aus­zei­ten neh­men, son­dern ihre For­schungs­pro­jek­te auch von Anfang an selbst gestal­ten und kon­zi­pie­ren. Wir punk­ten also mit unse­rer sehr guten Infra­struk­tur und der wis­sen­schaft­li­chen Frei­heit. Dass hoch­mo­ti­vier­te jun­ge Leu­te in unter­schied­li­chen Teams zusam­men­ar­bei­ten, macht dann dop­pelt Spaß.

Wenn Sie 10 Jah­re in die Zukunft bli­cken könn­ten: Was soll­te sich ändern und wel­che Hür­den lie­gen auf dem Weg dort­hin?
Die Welt soll­te in 10 Jah­ren gerech­ter sein als heu­te. Wir soll­ten fast ohne fos­si­le Ener­gie­trä­ger aus­kom­men und unse­re tech­ni­schen Mate­ria­li­en kon­se­quent im Kreis­lauf füh­ren. Dafür wird die Welt dezen­tra­ler orga­ni­siert sein. Die Lie­fer­ket­ten wer­den wie­der kür­zer, Weg­werfar­ti­kel gibt es nur noch weni­ge und wir haben es geschafft, das Span­nungs­feld aus Regu­lie­rung und Inno­va­ti­ons­kraft so zu gestal­ten, dass wir gleich­zei­tig sicher leben kön­nen und inno­va­ti­ve Tech­no­lo­gien nut­zen, damit jeder sein Leben ein Stück mehr so leben kann, wie er es sich vor­stellt, ohne dies auf Kos­ten ande­rer oder zukünf­ti­ger Gene­ra­tio­nen tun zu müs­sen. Wir wer­den dyna­mi­scher sein und wie­der mehr die Chan­cen als Gefah­ren in der Zukunft sehen, weil wir die Her­aus­for­de­run­gen der kom­men­den Deka­de erfolg­reich gemeis­tert haben werden.

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