„Selbst­wirk­sam­keit ist Ziel und Lohn zugleich”

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Die Psy­cho­lo­gin Pro­fes­sor. Dr. Anna Schnei­der (Bild) erklärt, war­um klas­si­sches Pres­ti­ge bei der Arbeit­ge­ber­wahl an Attrak­ti­vi­tät ver­liert und wel­che Bedeu­tung die Selbst­ver­wirk­li­chung bei der Sinn­stif­tung spielt. 

Frau Pro­fes­sor Schnei­der, in Hin­blick auf die Zukunft der Arbeit wird die Digi­ta­li­sie­rung zwie­späl­tig gese­hen. Man­che, wie der Phi­lo­soph Richard David Precht, fürch­ten den mas­si­ven Weg­fall von Stel­len und sor­gen sich um Men­schen, die in der digi­ta­len Welt kei­nen Platz mehr fin­den. Opti­mis­ten mei­nen, dass noch jeder Tech­no­lo­gie­sprung die Beschäf­ti­gung aus­ge­wei­tet hat. Auf wel­cher Sei­te ste­hen Sie?
Gene­rell ist dies eine sehr emo­ti­ons­ge­la­de­ne Fra­ge­stel­lung, die nicht zuletzt durch Schlag­zei­len wie „bereits heu­te sind Jobs von 15 Pro­zent der Deut­schen ersetz­bar“ (so eine Head­line der Wirt­schafts­wo­che) enor­me Rele­vanz für die Poli­tik und Gesell­schaft ent­fal­tet hat und auch in Zukunft wei­ter­hin ent­fal­ten wird. In Bezug auf den Arbeits­markt gilt es zunächst, zu dif­fe­ren­zie­ren – die Fra­ge danach, wel­che Tätig­kei­ten über­haupt aktu­ell oder in Zukunft von „Maschi­nen“ über­nom­men wer­den kön­nen, bil­det einen Teil­aspekt die­ser sehr kom­ple­xen Ein­fluss­fak­to­ren ab. So wird der Beruf des Fern­fah­rers mit­tel­fris­tig ver­mut­lich weg­fal­len – zumin­dest wenn die Ent­wick­lung des auto­no­men Fah­rens wei­ter vor­an­schrei­tet. Anders­wo ent­ste­hen hin­ge­gen völ­lig neue Beru­fe und Unter­neh­men, die ohne Digi­ta­li­sie­rung nicht denk­bar wären. Den­ken Sie hier bei­spiels­wei­se an „Influen­cer“, oder aber an den Online-Han­del.
Unab­hän­gig von dem Ent­ste­hen und Ver­ge­hen von Berufs­bil­dern, gibt es jedoch wei­te­re Ent­wick­lun­gen, die die Zukunft der Arbeit beein­flus­sen wer­den. Man den­ke hier an die Zunah­me der digi­ta­len Kom­mu­ni­ka­ti­on, aber auch den Ein­satz von KI im Recruiting.

Die­se Digi­ta­li­sie­rung führt in der Regel zu mehr auto­ma­ti­sier­ten Pro­zes­sen. Ent­frem­det sich der Mensch von sei­ner Arbeit, wenn er Algo­rith­men die­se über­neh­men lässt?
Von Ent­frem­dung wür­de ich in die­sem Bei­spiel nicht spre­chen. Viel­mehr kön­nen die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten in die­sem Fal­le den Arzt dabei unter­stüt­zen, eine prä­zise Dia­gnos­tik durch­zu­füh­ren. Insbe­son­dere sel­te­ne Erkran­kun­gen kön­nen so mög­li­cher­wei­se schnel­ler und zuver­läs­si­ger erkannt und behan­delt wer­den. Die di­gitalen Ange­bo­te füh­ren also in die­sem Bei­spiel nicht zu einer Kom­pe­tenz­re­duk­ti­on. Viel­mehr stel­len sie eine Erwei­te­rung der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Res­sour­cen dar.

Wie berei­tet man sich heu­te als Stu­die­ren­der auf eine immer digi­ta­li­sier­te­re Berufs­welt vor?
Im Grun­de genom­men ist die Ant­wort dar­auf recht sim­pel: Lebens­lan­ges Ler­nen ist und bleibt Grund­vor­aus­set­zung für erfolg­rei­ches Altern. Nicht nur in der Berufs­welt, son­dern auch im Pri­va­ten ver­liert man, wenn man sich dem Ler­nen neu­er Kom­pe­ten­zen ver­sperrt, schlicht­weg den Anschluss.
Das bedeu­tet sicher­lich nicht, dass man jeden Trend mit­ge­hen muss. Den­noch: Ohne den Zugriff, oder aber auch die akti­ve Aneig­nung, neu­er Tech­no­lo­gien blei­ben einem gewis­se Mög­lich­kei­ten ver­wehrt. Haben Per­so­nen bei­spielsweise kei­nen Zugriff auf das Inter­net, so kann dies zu so gro­ßen Nach­tei­len füh­ren, dass eini­ge den Zugriff auf das Inter­net bereits in einer Rei­he mit grund­le­gen­den Men­schen­rech­ten sehen. Ob man die­se Extrem­po­si­ti­on so mit­geht, muss jeder für sich ent­schei­den.
Sicher ist jedoch, dass ein star­res Ver­har­ren im „Hier und Jetzt“ auch bei frü­he­ren umwäl­zen­den tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen kei­ne gute Stra­te­gie war.

sinnvolle karriereProf. Dr. Anna Schnei­der stu­dier­te Psy­cho­lo­gie an den Uni­ver­si­tä­ten Maas­tricht und Bonn. Ihre fast 20-jäh­ri­ge Pra­xis­er­fah­rung in der Markt­for­schung bringt sie nun als Pro­fes­so­rin an der Hoch­schu­le Fre­se­ni­us Köln ein. Hier unter­rich­tet sie Fächer der Ange­wand­ten- und Wirt­schafts­psy­cho­lo­gie. Ihr zen­tra­les For­schungs­in­ter­es­se gilt den Aus­wir­kun­gen der Digi­ta­li­sie­rung auf Gesell­schaft, Wirt­schaft und Poli­tik. Prof. Dr. Anna Schnei­der ist Mit­glied in ver­schie­de­nen For­schungs­ver­bän­den und sitzt im wis­sen­schaft­li­chen Bei­rat des Wis­sen­schaft­li­chen Insti­tuts für Infra­struk­tur und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te – einem renom­mier­ten Think Tank für Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Internetpolitik.

Auf unse­rem Por­tal haben wir von Exper­ten die­je­ni­gen Unter­neh­men bestim­men las­sen, wel­che hel­fen, die Welt bes­ser zu machen. Wie hoch schät­zen Sie die Anzie­hungs­kraft von Unter­neh­men ein, die das von sich behaup­ten kön­nen?
Das ist eine Fra­ge­stel­lung, über die ich mit mei­nen Stu­die­ren­den bereits dis­ku­tiert habe. Bezo­gen auf die Sinn­stif­tung war das Feed­back recht ein­deu­tig: Sinn ist, wenn man sich selbst ver­wirk­li­chen kann. Eng damit ver­bun­den ist die Erfahr­bar­keit der Selbst­wirk­sam­keit, also zei­gen zu kön­nen, was man geschaf­fen hat. Die­ser Fak­tor ist Ziel und Lohn zugleich.
Auch was den Begriff des „Pres­ti­ge“ angeht, hat sich ein Wan­del voll­zo­gen. Pres­ti­ge im klas­si­schen Sin­ne hat an Gül­tig­keit und Attrak­ti­vi­tät ein­ge­büßt. „Pres­ti­ge“ hat aus Sicht jun­ger Men­schen, wer mit sei­nen Mit­ar­bei­ten­den gut umgeht und wer es schafft, die Mit­ar­bei­ten­den nicht bloß zu for­dern, son­dern zu för­dern. Es geht den zukünf­ti­gen Berufs­ein­stei­gern also dar­um, Din­ge mit­ge­stal­ten zu kön­nen und ech­te Wert­schät­zung zu erfahren.

Ist es naiv zu glau­ben, dass die Welt dadurch bes­ser wer­den könn­te, dass die Ein­stei­ger sich aus­schließ­lich den nach­hal­tig ope­rie­ren­den Arbeit­ge­bern zuwen­den und die skru­pel­lo­sen Unter­nehmen aus­ge­hun­gert wer­den vom Zufluss von Talen­ten?
Nun­ja, schluss­end­lich ist es auch immer ein Stück weit Defi­ni­ti­ons­sa­che jedes Ein­zel­nen, was genau „nach­hal­tig“ auf der einen Sei­te und „skru­pel­los“ auf der ande­ren Sei­te bedeu­tet. Neh­men Sie zum Bei­spiel Unter­neh­men der „Sha­ring Eco­no­my“. Eini­ge neh­men Geschäfts­mo­del­le wie die von Uber oder Airbnb als Leucht­turm­bei­spie­le für die Nutz­bar­ma­chung vor­han­de­ner Res­sour­cen wahr. Ande­re wie­der­um kri­ti­sie­ren die­se Geschäfts­mo­del­le dahin­ge­gen als äußerst pro­ble­ma­tisch, da die klas­si­schen Anbie­ter – und damit eta­blier­te Arbeit­ge­ber – in ihrer Exis­tenz gefähr­det wür­den. Naiv wür­de ich die Erwar­tungs­hal­tung, dass sich High Poten­ti­als in Zukunft beson­ders nach­hal­tig ope­rierenden Unter­neh­men zuwen­den nicht nen­nen, es wäre ja sogar wün­schens­wert. Aller­dings hal­te ich die­ses Sze­na­rio für ein wenig zu opti­mis­tisch. Man möge mich aber ger­ne eines Bes­se­ren belehren.

Sind Unter­neh­men der Sha­ring Eco­no­my durch die Nut­zung vor­han­de­ner Res­sour­cen nach­hal­tig – oder ist Dis­rup­ti­on auch kri­tisch zu sehen? 

Soll­te man dann bei der Arbeit­ge­ber­wahl danach gehen, was wirk­lich wich­tig für ein gutes Leben auf die­sem Pla­ne­ten ist, anstatt nach rein per­sön­li­chen Kri­te­ri­en aus­zu­wäh­len?
Das ist eine Fra­ge­stel­lung mit phi­lo­so­phi­schem Kern. Ich bin zuver­sicht­lich, dass die Wahr­neh­mung des­sen, was für einen selbst anstre­bens­wert ist, in Zukunft immer weni­ger davon abweicht, was gut für Ande­re, gut für den Pla­ne­ten ist.

Sie sind Exper­tin für Kon­su­men­ten­psy­cho­lo­gie. Simon Sinek hat in sei­nem „Gol­den Cir­cle” erläu­tert, wie wich­tig das „Why” für Unter­neh­men ist, um Kon­su­men­ten zu berüh­ren. Trotz­dem wis­sen wir von den wenigs­ten Unter­neh­men, war­um sie tun, was sie tun. Glau­ben Sie, der „Pur­po­se” eines Unter­neh­mens wird wich­ti­ger?
Kon­su­men­ten ach­ten durch­aus zuneh­mend dar­auf, wie Pro­duk­te her­ge­stellt wer­den, wer die­se Pro­duk­te her­stellt und wel­chen „Pur­po­se“ Unter­neh­men ver­fol­gen. Aller­dings muss ich ein­schrän­kend hin­zu­fü­gen, dass kon­kre­tes Ver­hal­ten stets von situa­ti­ven Ein­fluss­va­ria­blen gelenkt ist. So stellt sich eben doch auch für brei­te Tei­le der Bevöl­ke­rung unab­hän­gig von der Fra­ge, ob man sich ent­spre­chen­de Pro­duk­te leis­ten möch­te, auch die Fra­ge danach, ob man sich die­se Pro­duk­te auch leis­ten kann. Vie­le Ent­schei­dun­gen wer­den nicht vor dem Hin­ter­grund ratio­na­ler Über­le­gun­gen getrof­fen. Auch sind Ein­stel­lun­gen gegen­über Mar­ken und Pro­duk­ten eher schwer zu ändern, kogni­ti­ves Wis­sen um bei­spiels­weise die Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen trifft auf emo­tio­na­les „Bauch­ge­fühl“ und löst Ver­hal­tens­ab­sich­ten aus. Dabei sind Fak­to­ren wie Kind­heits­er­in­ne­run­gen an bestimm­te Süßig­kei­ten und das durch Wer­bung da­mit asso­zi­ier­te Wohl­ge­fühl eben häu­fig aus­schlag­ge­ben­der für die spon­ta­ne Kaufentscheidung.

Der Kon­sum im Digi­tal­zeit­al­ter fin­det online statt. Sehen Sie eine Chan­ce, dass ein­mal nicht mehr vor allem die Preis­such­ma­schi­ne dik­tiert, bei wem wir ein­kau­fen?
Schaut man sich die Umsatz­zu­wäch­se der gro­ßen Play­er im E‑Commerce an, so scheint die Bereit­schaft von Kon­su­men­ten, Mono­po­le zu akzep­tie­ren, unge­bro­chen. Trotz des Wis­sens dar­um, dass der loka­le und sta­tio­nä­re Han­del dar­un­ter stark lei­det, ent­schei­den wir uns doch für den beque­me­ren Weg. Den­noch wird es span­nend sein, die Ver­än­de­run­gen am Markt und dar­aus mit­tel­fris­tig ent­ste­hen­den Macht­ver­hält­nis­se zu beob­ach­ten. Ins­be­son­de­re der Trend der „unver­packt-Läden“ und loka­len, bezie­hungs­wei­se regio­na­len Anbie­ter steht ja doch im kras­sen Kon­trast zur stei­gen­den Markt­macht von Ama­zon und Co.

Wie schwie­rig fin­den Sie es heu­te, nach der oft behü­te­ten Welt an der Hoch­schu­le den Schritt in ein Berufs­le­ben zu gehen?
Der Start ins Berufs­le­ben stellt Absol­ven­ten vor enor­me Her­aus­for­de­run­gen. Oft­mals ent­steht in den ers­ten Mona­ten das Gefühl, das Leben bestün­de nur noch aus Arbeit und Schlaf, alle wei­te­ren Bedürf­nis­se müss­ten zurück­ste­hen. Daher ist es aus mei­ner Sicht enorm hilf­reich, wenn die Stu­die­ren­den bereits wäh­rend des Stu­di­ums Ein­bli­cke in die Berufs­welt gewin­nen kön­nen. Dar­über legen wir an unse­rer Hoch­schu­le gro­ßen Wert dar­auf, die Leh­re pra­xis­ori­en­tiert zu gestal­ten. Dass zwi­schen Theo­rie und Pra­xis mit­un­ter sehr deut­li­che Unter­schie­de bestehen, ler­nen die Stu­die­ren­den so von Anfang an und sind damit gut gerüs­tet für den Berufs­ein­stieg.
Durch die Pra­xis­ori­en­tie­rung ist der Ein­stieg in das Berufs­le­ben dann kei­ne Über­for­de­rung mehr, son­dern will­kom­me­ne Herausforderung.

Wie unter­stüt­zen Sie Stu­die­ren­de dabei kon­kret?
Durch eine Mischung aus leben­di­gen Dis­kus­sio­nen in den Ver­an­stal­tun­gen, den Auf­ruf dazu immer neu­gie­rig zu blei­ben, Anwen­dungs­ori­en­tie­rung, Vor­trä­gen von Per­sön­lich­kei­ten aus der Pra­xis und der Gewin­nung von exter­nen Part­nern für stu­den­ti­sche Pro­jekt­ar­bei­ten. Und ich habe schon die ein oder ande­re Türe geöff­net, wenn ich beson­ders enga­gier­te Stu­die­ren­de tref­fe. Hin­durch­ge­hen müs­sen die­se dann selbst, aber mit eini­gen Stu­die­ren­den ste­he ich immer noch in Kon­takt und fin­de es sehr span­nend, ihren Weg mit zu ver­fol­gen. Es erfüllt mich tat­säch­lich mit Freu­de und ein biss­chen Stolz, wenn mir dann von mei­nen Stu­die­ren­den berich­tet wird, dass sie einen groß­ar­ti­gen Job machen!

Was ist Ihr per­sön­li­ches „Why”? (War­um tun Sie, was Sie tun?)
Weil es groß­ar­tig ist, jun­ge Men­schen einen Teil ihres Weges beglei­ten zu kön­nen. Weil es Spaß macht, zu dis­ku­tie­ren, zu leh­ren, zu reflek­tie­ren, zu begeis­tern. Oder aber kurz: Weil es „Sinn“ macht.

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