Viele Unternehmen kommunizieren es bereits nach außen und haben es in die Strategie aufgenommen: nachhaltiges Wirtschaften. Dieses Thema beschäftigt nicht nur die Führungsebenen sondern auch die Mitarbeiter:innen, die mit ihrem Beruf auch einen positiven Einfluss erwirken wollen. Prof. Dr. Laura Marie Edinger-Schons von der Universität Mannheim forscht zu Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen.

Die High Potentials, die aktuell die Universitäten verlassen und sich auf dem Arbeitsmarkt umschauen, zeigen ein viel stärkeres Interesse an dem Thema Nachhaltigkeit als vergangene Generationen. Dies ist nicht verwunderlich, denn die Menschheit steht vor bisher nie dagewesenen Herausforderungen, die ihr Überleben auf diesem Planeten in akute Gefahr bringen. Die 2020er Jahre werden auch als „decade of action“ bezeichnet – unser jetziges Handeln wird bestimmen, ob wir die Nachhaltigkeitsherausforderungen bewältigen werden oder nicht. Zu diesen Herausforderungen gehört zuallererst die Klimakrise, aber auch das rapide Artensterben, die Müllproblematik oder die allgemeine Ressourcenknappheit. Nicht selten tragen die Aktivitäten von Unternehmen signifikant zu diesen Problemen bei. Auf der Suche nach einem potenziellen Arbeitgeber fragen Bewerber:innen daher verstärkt nach, wie die Unternehmen sich bei diesen Themen strategisch aufstellen.
Die Wissenschaft hat sich in diesem Zuge in den letzten Jahren verstärkt der Frage gewidmet, wie Unternehmen diese neuen Präferenzen von potenziellen Bewerber:innen und Mitarbeiter:innen bestmöglich adressieren können, um im „War for Talent“ erfolgreich zu sein. Dabei hat sich zum Beispiel gezeigt, dass Mitarbeiter:innen der Nachhaltigkeit eines Unternehmens einen hohen Stellenwert zuweisen, weil sie sich mit dem Unternehmen, bei dem sie arbeiten, identifizieren. Die Arbeit stellt einen wichtigen Baustein des Selbstkonzeptes dar und dadurch ist es von zentraler Relevanz, dass die Werte des Unternehmens eine größtmögliche Deckung mit den eigenen aufweisen. Im Umkehrschluss ist es unangenehm, wenn der eigene Arbeitgeber durch unethisches oder nicht nachhaltiges Verhalten in der Kritik steht und so einen negativen Effekt auf das eigene Selbstkonzept und Image vor Anderen haben könnte. Stellen wir uns einfach vor, wir müssten bei einer Party verkünden, dass wir bei Volkswagen, Tönnies oder Wirecard arbeiten. Besser würde es sich sicher anfühlen zu verkünden, dass man bei Patagonia, Vaude oder Alnatura angestellt ist.
Prof. Dr. Laura Marie Edinger-Schons ist Inhaberin des Lehrstuhls für nachhaltiges Wirtschaften an der Universität Mannheim und akademische Direktorin des neuen berufsbegleitenden Studienganges „Mannheim Master in Sustainability & Impact Management“, der im Herbst 2021 an der Mannheim Business School startet. In ihrer Forschung konzentriert sie sich auf die Frage, wie Organisationen zu einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung beitragen können.
Mitarbeiter:innen ist es also wichtig, dass der eigene Arbeitgeber die richtigen Werte vertritt. Hierbei ist interessant, dass Unternehmen in den letzten Jahren immer stärker über ihre Werte oder auch über ihren „higher purpose beyond profits“ sprechen. Mehrere DAX-Unternehmen haben mittlerweile Purpose Statements auf ihren Webseiten platziert und versuchen diese Zielsetzung durch unterschiedliche Aktivitäten im Unternehmen „zum Leben zu erwecken“. Dies wird von vielen verwandten Phänomenen begleitet. Zum Beispiel ergreifen CEOs und Kommunikationsabteilungen von Unternehmen immer häufiger das Wort, wenn es um kontroverse sozio-politische Themen geht. Das wohl prominenteste Beispiel hierfür war in Deutschland Joe Kaeser, CEO von Siemens, der sich mit seinem Twitter Post „lieber Kopftuchmädels als Bund Deutscher Mädels“ (als Reaktion auf eine Äußerung von AfD Politikerin Alice Weidel im Bundestag) Lob, aber auch Kritik einhandelte. Das Phänomen des Socio-Political Activism unter Firmen hat in den USA während der Amtszeit von Donald Trump deutlich zugenommen und viele Unternehmen positionierten sich bei kontroversen Themen wie Einwanderung, Waffenregulierung oder Abtreibung – die meisten davon mit einer liberalen Position.
Eine weitere Entwicklung rund um die stärkere Werteorientierung in der Wirtschaft ist, dass eine intensive Diskussion um die Messbarkeit des sozialen Fußabdruckes von Unternehmen (Social Impact Measurement and Valuation) begonnen hat. Hier gibt es noch viele Hausaufgaben zu machen, aber Multi-Stakeholder-Initiativen wie die Value Balancing Alliance treiben das Thema mit einem rapiden Tempo voran. Es wird immer wahrscheinlicher, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft standardisierte Messverfahren und Berichtskriterien für die ökologische und soziale Nachhaltigkeit, sowie für die verantwortungsvolle Governance von Unternehmen, und damit mehr Transparenz über die nichtfinanzielle Performance dieser Organisationen, haben werden. Aber wie können Unternehmen nun am besten die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen nach einem starken Nachhaltigkeitsprofil befriedigen? Hier lassen sich insbesondere drei Handlungsempfehlungen ableiten: Erstens sollte das Engagement der Unternehmen in den eigenen vier Wänden anfangen und sich nicht auf philanthropische Spenden beschränken, die „mit der Gießkanne“ verteilt werden.
Unternehmen sollten diejenigen Themen identifizieren, bei denen sie den größten Hebel haben, etwas zu der Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beizutragen. Dies fängt mit einer Materialitätsanalyse an, in der die Wichtigkeit der diversen Nachhaltigkeitsthemen für die unterschiedlichen Anspruchsgruppen sowie für das Unternehmen selbst abgebildet werden kann. Basierend auf diesem Wissen über die zentralen Themen sollten Unternehmen ihre gesamte Wertschöpfungskette durchleuchten und auf Verbesserungspotenziale prüfen. Darüber hinaus können Unternehmen darüber reflektieren, was ihre höhere Zielsetzung über Profite hinaus ist – denn ursprünglich wurden eigentlich alle Unternehmen mit so einer Zielsetzung gegründet. Durch einen gezielten Reflektionsprozess lässt sich dieses Ziel nicht nur (wieder-)entdecken, sondern der Prozess selbst kann auch zu einem gesteigerten Gemeinschaftsgefühl und einer gestärkten Motivation führen, sich für das Unternehmen einzusetzen.
Mitarbeiter sollten in Transformationen mit einbezogen werden – sie kennen ihren Job und wissen, wo man ansetzen kann
Laura Marie Edinger-Schons
Zweitens sollten Unternehmen bei der Transformation in Richtung Nachhaltigkeit und Purpose ihre Anspruchsgruppen – darunter insbesondere ihre eigenen Mitarbeiter:innen – generell aktiv einbinden. Sie kennen ihre eigenen Jobs und die damit zusammenhängenden Wertschöpfungsprozesse am besten und haben häufig sehr gute Ideen, wie diese Prozesse im Sinne von mehr Nachhaltigkeit und gesamtgesellschaftlicher Wertschöpfung neu gestaltet werden können. Darüber hinaus zeigen aktuelle Studien, dass viele Mitarbeiter:innen ihre beruflichen Aufgaben als nicht sinnstiftend genug einschätzen und über einen Job- oder Firmenwechsel nachdenken. Durch eine aktive Einbindung der Mitarbeiter:innen beim Thema Nachhaltigkeit kann eine effektive Sinnstiftung stattfinden, die die Bindung an das Unternehmen stärkt.
Drittens kann und sollte die Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft nicht isoliert betrachtet werden. Sie ist ein tiefgreifender Wandlungsprozess, der Schnittstellen mit anderen Transformationen unserer Gesellschaften hat. Allen voran können hier die Digitalisierung sowie die Transformation hin zu neuen Formen der Arbeit genannt werden. Nur wer diese gesamtgesellschaftlichen Prozesse zusammen denkt und in Strategien umsetzt, die die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen ansprechen, kann das größtmögliche Potenzial für das eigene Unternehmen realisieren. Nachhaltigkeit kann nämlich nicht nur eine neue Herausforderung, sondern genauso eine neue Chance für Unternehmen sein, sich durch intelligente Strategien von den Wettbewerbern zu differenzieren und ihre Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen.
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