Bio­ba­sier­te Stretch­fo­lie für den Agrarbereich

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Die Pro­ble­ma­tik petro­che­mi­scher Kunst­stof­fe, wel­che auf unter­schied­li­che Wege in unse­re Natur gelan­gen nimmt einen immer grö­ße­ren Stel­len­wert in unse­rer Gesell­schaft ein. Vor allem land­wirt­schaft­li­che Foli­en, wel­che im unmit­tel­ba­ren Kon­takt mit dem Boden sind, ste­hen hier beson­ders im Fokus. Die Hoch­schu­le für Ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten in Hof befasst sich aktiv mit einer Lösung die­ses Pro­blems. Am Insti­tut für ange­wand­te Bio­po­ly­mer­for­schung (ibp) unter Lei­tung von Herrn Prof. Dr. Micha­el Nase wird seit Mai an einer nach­hal­ti­gen, bio­ba­sier­ten Stretch­fo­lie für Sila­ge­bal­len geforscht.

Der Ursprung der Pro­jekt­idee liegt dar­in begrün­det, dass sich die Hoch­schu­le Hof in einer länd­li­chen Gegend mit einer star­ken Land­wirt­schaft befin­det. Dem­nach konn­te sozu­sa­gen direkt vor der „Haus­tür“ das Wachs­tum und die immer grö­ße­re Beliebt­heit der Sila­ge­bal­len mit­ver­folgt wer­den. Als Sila­ge­bal­len wer­den in der Land­wirt­schaft Bal­len bezeich­net, die meist mit einer grü­nen, wei­ßen oder schwar­zen Folie umstretcht sind. Mit­hil­fe die­ser Kunst­stoff­fo­lie wer­den im Bal­len­in­ne­ren mit­tels Milch­säu­re­gä­rung Fut­ter­mit­tel für Rin­der, Kühe et cete­ra erzeugt.

Silageballen ökologische ibpDie hier­für ver­wen­de­ten Foli­en ste­hen in einem gro­ßen Kon­flikt in Bezug auf Nach­hal­tig­keit und ande­re öko­lo­gi­sche Aspek­te. Sie basie­ren auf petro­che­mi­schen Kunst­stof­fen, für deren Her­stel­lung fos­si­les Erd­öl benö­tigt wird. Auch han­delt es sich bei die­sem Pro­dukt meist um einen rei­nen Ein­weg­ar­ti­kel, der nach der Ver­wen­dung kos­ten­in­ten­siv ent­sorgt wer­den muss. Eine wei­te­re Pro­ble­ma­tik ist der bereits erwähn­te, immer grö­ßer wer­den­de Anteil an Mikro­plas­tik in unse­ren Böden. Mikro­plas­tik ent­steht durch den Zer­fall oder den Abrieb von Kunst­stoff­pro­duk­ten in immer klei­ner wer­den­de Tei­le. Die­ser Zer­fall kann durch Wit­te­rungs­ein­flüs­se und/oder Son­nen­ein­strah­lung indu­ziert bezie­hungs­wei­se ver­stärkt wer­den. Da die meis­ten land­wirt­schaft­li­chen Foli­en über eine län­ge­re Zeit in unmit­tel­ba­rem Kon­takt mit den Böden ste­hen, liegt hier ein gro­ßes Poten­zi­al für die Redu­zie­rung bezie­hungs­wei­se Ver­mei­dung der Ent­ste­hung von Mikroplastik.

Im Rah­men der Mach­bar­keits­stu­die „AgriSt­retch“ unter­sucht das ibp bis April 2022, inwie­weit und zu wel­chen Bedin­gun­gen sich klas­si­sche Stretch­fo­li­en durch öko­lo­gisch nach­hal­ti­ge Foli­en aus Bio­po­ly­me­ren erset­zen las­sen. Ziel ist es, dass die Folie in Zukunft zu 100 Pro­zent aus nach­wach­sen­den Roh­stof­fen besteht. Der bis­he­ri­ge Weg­werfar­ti­kel soll durch eine ange­streb­te Kom­pos­tier­bar­keit oder Recy­cel­bar­keit bes­ser in eine nach­hal­ti­ge Kreis­lauf­wirt­schaft inte­grier­bar sein. Zur Errei­chung die­ses Ziels wer­den von der Pro­jekt­lei­te­rin Frau M. Eng. Isa­bell Klei­ber unter­schied­li­che Bio­po­ly­me­re und bio­ba­sier­te Zusät­ze, soge­nann­te Addi­ti­ve, in ver­schie­de­nen Kon­zen­tra­tio­nen näher unter­sucht. Die unter­schied­li­chen Kom­po­nen­ten wer­den in einem Com­poun­der phy­si­ka­lisch ver­mischt und zu Kunst­stoff­gra­nu­lat ver­ar­bei­tet. Die­ses wird anschlie­ßend in einer Blas­fo­li­en­an­la­ge des ibp im Tech­ni­kums­maß­stab zu ers­ten Foli­en weiterverarbeitet.

Nach­dem die fina­le Folie zahl­rei­che Anfor­de­run­gen erfül­len muss, wer­den die her­ge­stell­ten Foli­en­mus­ter mit­tels mecha­ni­scher, ther­mi­scher und vie­ler wei­te­rer Unter­su­chungs­ver­fah­ren näher cha­rak­te­ri­siert. Neben den bekann­ten mecha­ni­schen Eigen­schaf­ten einer Stretch­fo­lie, wie bei­spiels­wei­se einer hohen Bruch­deh­nung, soll­te sie für den vor­ge­se­he­nen Gär­pro­zess im Bal­len­in­ne­ren eine aus­rei­chend gro­ße Bar­rie­re gegen­über Sau­er­stoff und Was­ser­dampf besit­zen. Damit der Gär­pro­zess unge­stört ablau­fen kann, muss der Gas­aus­tausch sowohl nach innen als auch nach außen so gering wie mög­lich gehal­ten wer­den. Außer­dem muss die Folie eine aus­rei­chend hohe UV- und mecha­ni­sche Bestän­dig­keit mit­brin­gen, da sie sich meist über einen Zeit­raum von min­des­tens einem Jahr im Frei­en befindet.

Ein wei­te­rer wich­ti­ger Punkt für die Ent­wick­lung ist der preis­li­che Aspekt für das zukünf­ti­ge Pro­dukt. Land­wir­te ver­brau­chen jähr­lich gro­ße Men­gen die­ser Folie, sodass folg­lich der Unter­schied der Kos­ten im Ver­gleich zu klas­si­schen eta­blier­ten Sila­gestretch­fo­li­en so gering wie mög­lich gehal­ten wer­den muss. Nach­dem Bio-Kunst­stof­fe der­zeit bei wei­tem noch nicht in den Men­gen wie petro­che­mi­sche Kunst­stof­fe her­ge­stellt wer­den, lie­gen sie preis­lich meist drei bis sechs Euro pro Kilo­gramm über dem Preis der kon­ven­tio­nel­len Kunst­stof­fe. Die preis­li­che Dif­fe­renz, die sich somit im Lauf­me­ter­preis der fer­ti­gen Folie nie­der­schlägt, wird von ent­wick­lungs­tech­ni­scher Sei­te ver­sucht so gering wie mög­lich zu hal­ten und soll gleich­zei­tig mit einem zusätz­li­chen Mehr­wert für den Anwender:innen aus­ge­gli­chen wer­den. Ein sol­cher Mehr­wert kann bei­spiels­wei­se eine leich­te­re und unkom­pli­zier­te­re Ent­sor­gung der Folie nach der Anwen­dung sein.

Silageballen ökologische ibpDie Ent­wick­lung die­ser neu­ar­ti­gen Agrar-Stretch­fo­lie befin­det sich der­zeit mit­ten in der For­schungs- und Ent­wick­lungs­pha­se. Soll­ten die gewon­ne­nen Erkennt­nis­se aus die­ser Stu­die viel­ver­spre­chend sein, wird ab 2022 ein Nach­fol­ge­pro­jekt unter akti­ver Ein­bin­dung von Indus­trie­part­nern ange­strebt. Im Rah­men des Fol­ge­pro­jek­tes wäre neben der Opti­mie­rung des Foli­en­auf­baus, ein Up-Sca­ling und gege­ben falls eine Markt­ein­füh­rung des fer­ti­gen Pro­duk­tes zu rea­li­sie­ren. Die lau­fen­de Mach­bar­keits­stu­die wird durch die Fach­agen­tur für nach­wach­sen­de Roh­stof­fe (FNR) gefördert.

Am Insti­tut für ange­wand­te Bio­po­ly­mer­for­schung der Hoch­schu­le Hof wer­den neben dem Pro­jekt „AgriSt­retch“ vie­le wei­te­re grü­ne Pro­jek­te bear­bei­tet und somit Lösun­gen für nach­hal­ti­ge­re Pro­duk­te und eine umwelt­scho­nen­de­re Zukunft gesucht. Ein gro­ßer Teil die­ser For­schung befasst sich mit Anwen­dun­gen im land­wirt­schaft­li­chen Bereich. Im Pro­jekt „Bio-Mulch“ wur­de bei­spiels­wei­se eine abbau­ba­re Mulch­fo­lie ent­wi­ckelt, die nun in einem wei­te­ren Pro­jekt so modi­fi­ziert wer­den soll, dass sie bei der Zer­set­zung im Boden Nähr­stof­fe frei gibt und dem Anwen­der so einen Arbeits­schritt erspart. Die Ent­wick­lung einer bio­ba­sier­ten und bio­ab­bau­ba­ren Sila­ge­fo­lie für Bun­ker­si­los ist Ziel des Pro­jek­tes “Bio­Si­Fo”. Das Pro­jekt “Vino­fol” soll zur Ertrags- und Zucker­stei­ge­rung von Wein­trau­ben durch den Ein­satz reflek­tie­ren­der Foli­en beitragen.

Im Rah­men von Abschluss­ar­bei­ten oder als wis­sen­schaft­li­che Hilfs­kräf­te wer­den am ibp Stu­die­ren­de der Hoch­schu­le Hof oder auch exter­ne Stu­die­ren­de ger­ne in lau­fen­de Pro­jek­te inte­griert. In den Auf­ga­ben­be­reich der Stu­die­ren­den fal­len neben eigen­stän­di­gen Labor- und Aus­wer­te­ar­bei­ten, die direk­te Unter­stüt­zung der jewei­li­gen Pro­jekt­mit­ar­bei­ter bei wis­sen­schaft­li­chen Untersuchungen.

Silageballen ökologische ibpProf. Dr.-Ing. Micha­el Nase schloss 2005 sein Stu­di­um der Werk­stoff­wis­sen­schaf­ten, mit Spe­zia­li­sie­rung in Kunst­stoff­tech­nik, an der Mar­tin-Luther-Uni­ver­si­tät Hal­le-Wit­ten­berg erfolg­reich ab. Nach­dem er 2008 den Prof.-Hans-Henning-Kausch-Preis der Aka­de­mie Mit­tel­deut­sche Kunst­stoff­in­no­va­tio­nen ver­lie­hen bekam, hielt das Jahr 2010 meh­re­re Mei­len­stei­ne für ihn bereit. Micha­el Nase pro­mo­vier­te zum Dr.-Ing. und wur­de Trä­ger der Luther Urkun­de, wel­che ihm von der Mar­tin-Luther-Uni­ver­si­tät Hal­le-Wit­ten­berg ver­lie­hen wur­de. Ende 2018 wur­de Micha­el Nase zum Lei­ter des Insti­tuts für ange­wand­te Bio­po­ly­mer­for­schung der Hoch­schu­le Hof (ibp) bestellt, wel­ches er bis heu­te leitet.

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