„Wir brin­gen Nach­hal­tig­keit in den Finanzsektor“

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Die Triodos Bank ist nicht nur Euro­pas füh­ren­de Nach­hal­tig­keits­bank, son­dern vor allem ein Vor­zei­ge­ex­em­plar eins nach­hal­ti­gen Unter­neh­mens im Finanz­sek­tor. Vor­ran­gig ist für sie das Wohl des Men­schen und der Umwelt. Jeder ihrer Pro­jek­te und Arbeits­schrit­te ist genau nach die­ser Visi­on aus­ge­legt. Im Inter­view ver­rät uns der Geschäfts­füh­rer Herr Georg Schür­mann wie sie es genau schaf­fen als Bank nach­hal­tig zu sein und was sie von ande­ren Kre­dit­in­sti­tu­ten unter­schei­det.

Herr Schür­mann, was den­ken sie, wel­che Ver­ant­wor­tung tra­gen Unter­neh­men heut­zu­ta­ge in Bezug auf das gesell­schaft­li­che Wohl­be­fin­den?
Unter­neh­men tra­gen immer eine Ver­ant­wor­tung für das Gemein­wohl – auch wenn sie die manch­mal nicht wahr­ha­ben wol­len. Jede Art des Unter­neh­mer­tums wirkt sich auf das Gemein­wohl aus, mit einem nega­ti­ven oder posi­ti­ven Impact. Die Dis­kus­si­on dar­über, wel­che Ver­ant­wor­tung Unter­neh­men für die Gesell­schaft tra­gen, hat in den ver­gan­ge­nen Jah­ren an Dyna­mik gewon­nen. Die Debat­te um exter­na­li­sier­te Kos­ten für Men­schen und Umwelt wird ver­stärkt geführt und Social Entre­pre­neur­ship spielt bei vie­len Grün­dun­gen eine Rol­le, um zwei Bei­spie­le zu nennen.

Ob die Coro­na-Kri­se als Beschleu­ni­ger für eine gemein­wohl­ori­en­tier­te­re Wirt­schaft fun­giert, ist mei­nen Augen noch nicht klar. Die Kri­se ist für vie­le Men­schen aber eine Gele­gen­heit unser Wirt­schafts­sys­tem zu hin­ter­fra­gen, inne­zu­hal­ten und im bes­ten Fall neue Wege zu suchen. Den Wunsch nach der Kri­se neu und ins­be­son­de­re nach­hal­tig anzu­fan­gen, haben wir auf jeden Fall wahr­ge­nom­men.

Auch Triodos Bank hat sich nach­hal­ti­ges Wirt­schaf­ten zum Ziel gemacht. Wie set­zen Sie dies in Ihrem Haus um und was sind die Her­aus­for­de­run­gen dabei?
Nach­hal­ti­ges Wirt­schaf­ten ist seit der Grün­dung der Triodos Bank vor gut 40 Jah­ren in den Nie­der­lan­den unser wesent­li­ches Merk­mal. Unse­re Grün­der haben ihre Visi­on einer Bank, die Geld zum Wohl von Mensch und Umwelt ver­mit­telt, umge­setzt. An die­sem Geschäfts­kern hat sich bis heu­te nichts geän­dert und dar­an wird sich auch nichts ändern. Natür­lich sind wir in den ver­gan­gen 40 Jah­ren nicht ste­hen geblie­ben, son­dern haben unser Kern­ge­schäft, die nach­hal­ti­ge Trans­for­ma­ti­on der Wirt­schaft zu beglei­ten, immer wie­der den neu­en gesell­schaft­li­chen und umwelt­tech­ni­schen Her­aus­for­de­run­gen und Bedürf­nis­sen angepasst.

Nach­hal­ti­ges Wirt­schaf­ten bedeu­tet für uns alle drei Dimen­sio­nen der Nach­hal­tig­keit in Ein­klang zu brin­gen: die öko­lo­gi­sche, öko­no­mi­sche und sozia­le Dimen­si­on. Die­ses Bestre­ben spie­gelt sich auch in jedem Kre­dit­ge­schäft wider, das wir ein­ge­hen. Je nach dem, in wel­chem Bereich wir Geld ver­ge­ben, liegt der Fokus etwas stär­ker auf der ein oder ande­ren Dimen­si­on. Wenn wir bei­spiels­wei­se ein Pfle­ge­heim finan­zie­ren, geht es uns in ers­ter Linie um die sozia­le Nach­hal­tig­keit. Die bei­den ande­ren Dimen­sio­nen spie­len aber auch immer eine Rolle. 

Georg Schür­mann ist seit 2009 Geschäfts­lei­ter der Triodos Bank N.V. Deutsch­land. 2014 über­nahm er die allei­ni­ge Ver­ant­wor­tung für das Deutsch­land­ge­schäft der Nach­hal­tig­keits­bank. Zuvor war er 20 Jah­re lang bei der Deut­schen Bank tätig. Nach dem Stu­di­um der Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten in Köln begann er 1989 sei­ne Kar­rie­re als Trai­nee bei der Deut­schen Bank. Es folg­ten diver­se Sta­tio­nen inner­halb des Kon­zerns, u.a. als Regio­nal­lei­ter in Mün­chen. 2005 wur­de er in die Zen­tra­le der Bank geru­fen und ein Jahr spä­ter Mit­glied der Geschäfts­lei­tung Pri­va­te Ban­king Deutsch­land mit Zustän­dig­keit für das ope­ra­ti­ve Geschäft. Georg Schür­mann ist Mit­glied im Sus­tainable Finan­ce Bei­rat der Bun­des­re­gie­rung, im Nach­hal­tig­keits­bei­rat der Bar­me­nia Ver­si­che­rung, im Bei­rat der Deut­schen Umwelt­stif­tung sowie im Diö­ze­san-Ver­mö­gens­ver­wal­tungs­rat des Bis­tums Eichstätt.

Was emp­fin­den Sie per­sön­lich, wie gut wir unter­wegs sind zu einer Welt, die behut­sa­mer mit dem Leben und den Res­sour­cen auf dem Pla­ne­ten umgeht?
Mit Blick auf die Finanz­bran­che ist die Bot­schaft der Kli­ma­kri­se ange­kom­men – auch außer­halb der klei­nen Grup­pe der Nach­hal­tig­keits­ban­ken. Ich sehe durch­aus, dass sich auch etwas bei den Gro­ßen der Finanz­in­dus­trie tut. Die von der Triodos Bank mit­in­iti­ier­te Kli­ma-Selbst­ver­pflich­tung des deut­schen Finanz­sek­tors bei­spiels­wei­se haben auch gro­ße Ban­ken unter­zeich­net. Dar­in ver­pflich­ten sich die Insti­tu­te ihr Geschäfts­mo­dell an den Pari­ser Kli­ma­zie­len aus­zu­rich­ten und mit dazu bei­zu­tra­gen, die Erd­er­wär­mung auf deut­lich unter 2 Grad zu begren­zen. Abge­se­hen davon wächst in der gesam­ten Bran­che die Sor­ge vor Kli­ma­ri­si­ken. Ins­ge­samt machen aber zu vie­le Finanz­ak­teu­re noch wei­ter wie zuvor. Ein Anfang ist gemacht, mehr lei­der noch nicht. Um der Kli­ma­kri­se aus Ban­ken­sicht etwas ent­ge­gen­zu­set­zen, braucht es noch deut­lich mehr. Und die Zeit rennt uns lei­der davon.

Wie kön­nen Sie als Bank die Men­schen in ihrer Gesund­heit und ihrer Bil­dung wirk­sam unter­stüt­zen oder dazu bei­tra­gen, dass das Öko­sys­tem ent­las­tet wird?
Als Bank liegt unse­re Stär­ke für nach­hal­ti­ge Ver­än­de­rung in unse­rer Rol­le als Mitt­ler. Bevor wir einen Kre­dit ver­ge­ben oder bevor unse­re Invest­ment Toch­ter Triodos Invest­ment Manage­ment Akti­en eines Unter­neh­mens für sei­ne Fonds kauft, bli­cken wir auf die posi­ti­ve Wir­kung, die dadurch ent­ste­hen kann. Wir stär­ken Unter­neh­men, Initia­ti­ven oder Pro­jek­te, die die Gesell­schaft nach­hal­tig vor­an­brin­gen. Ein Bei­spiel aus unse­rem Bereich nach­hal­ti­ge Immo­bi­li­en: Stei­gen­de Mie­ten, ins­be­son­de­re in Bal­lungs­zen­tren, sind ein gesell­schaft­li­ches Pro­blem und tra­gen zur sozia­len Spal­tung bei. Des­halb haben wir einer Mie­ter­ge­mein­schaft in Ber­lin zusam­men mit wei­te­ren Akteu­ren gehol­fen ihr Miets­haus als Genos­sen­schaft zu kau­fen und somit den Ver­kauf des Gebäu­des an einen Inves­tor ver­hin­dert. Letz­te­res wäre mit ziem­li­cher Sicher­heit mit Miet­preis­er­hö­hun­gen ein­her­ge­gan­gen und hät­te dazu geführt, dass lang­jäh­ri­ger Mieter:innen ver­drängt wor­den wären. Denn es geht uns im Bereich der Immo­bi­li­en nicht in ers­ter Linie um die öko­lo­gi­sche Nach­hal­tig­keit eines Gebäu­des, son­dern auch um den sozia­len Aspekt.

Wich­tig ist uns in die­sem Zusam­men­hang die Trans­pa­renz. Wir ver­öf­fent­li­chen unse­re Kreditkund:innen auf der Web­sei­te. So kann jeder Spa­rer sehen, wohin sein Geld fließt.

Vor eini­gen Jah­ren habe wir als ers­te Bank in Deutsch­land eine Kre­dit­kar­te her­aus­ge­ge­ben, die nicht mehr auf Erd­öl- son­dern auf Bio­plas­tik beruht.

Kürz­lich haben wir das deutsch­land­weit ers­te kli­ma­neu­tra­le Depot ein­ge­führt. Die Fonds, die wir in Deutsch­land ver­kau­fen, haben bereits auf­grund ihrer weg­wei­sen­den Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie einen sehr gerin­gen CO2-Fuß­ab­druck. Wie kom­pen­sie­ren die ver­blei­ben­den Emis­sio­nen nun für unse­re Kunden:innen.

Gibt es Din­ge, die Sie in der Pipe­line haben, die einen wert­vol­len öko­lo­gi­schen, tech­no­lo­gi­schen oder gesell­schaft­li­chen Bei­trag für mehr Nach­hal­tig­keit und All­ge­mein­wohl leis­ten kön­nen?
Unse­re Teams in den unter­schied­li­chen Busi­ness-Ein­hei­ten sind sehr nah an der Wirt­schaft und nach­hal­ti­gen Inno­va­tio­nen sowie Ent­wick­lun­gen dran. Wir ver­än­dern und reagie­ren lau­fend auf die sich wan­deln­de Welt und fra­gen uns, was wirk­lich für eine nach­hal­ti­ge Zukunft von Nöten ist. Im Bereich der Erneu­er­ba­ren Ener­gien haben wir in den 1980er Jah­ren bei­spiels­wei­se das ers­te Wind­rad in Euro­pa finan­ziert. Heu­te ist die Finan­zie­rung von Erneu­er­ba­ren Ener­gien ins­be­son­de­re in Deutsch­land sehr schwie­rig und wir haben unse­ren Fokus erwei­tert. Der Netz­aus­bau, Spei­cher­tech­no­lo­gien, nach­hal­ti­ge Mobi­li­tät oder auch die Finan­zie­rung von Glas­fa­ser­tech­no­lo­gie – heu­te ist viel mehr nötig, um die Ener­gie-Trans­for­ma­ti­on vor­an­zu­brin­gen. Die Finan­zie­rung von Glas­fa­ser­pro­jek­ten ist für uns wich­tig gewor­den, weil wir die digi­ta­le Spal­tung der Gesell­schaft adres­sie­ren möch­ten und ins­be­son­de­re im länd­li­chen Raum gesell­schaft­li­che und tech­no­lo­gi­sche Teil­ha­be ermög­li­chen möchten.

Ein Bereich, der in unse­ren Augen in den kom­men­den Jah­ren sehr wich­tig wird, sind Unter­neh­men, die nach den Prin­zi­pi­en der Kreis­lauf­wirt­schaft funk­tio­nie­ren. Um unse­re Res­sour­cen nicht noch wei­ter aus­zu­beu­ten, müs­sen wir uns als Gesamt­ge­sell­schaft von linea­ren Wirt­schafts­mo­del­len verabschieden.

Wel­che Visi­on von Zukunft kön­nen kann Triodos für Hoch­schul­ab­sol­ven­ten ent­wer­fen, die Sie bei Ihrem Tun beglei­ten möch­ten?
Unse­re Visi­on ist ein gesell­schaft­li­ches Umfeld zu schaf­fen, dass die Lebens­qua­li­tät der Men­schen ver­bes­sert und in dem Menschwür­de zen­tral ist.
Wir freu­en uns über jede:n, der gemein­sam mit uns an die­ser Visi­on arbei­tet.

Wie wich­tig ist es für Sie per­sön­lich, dass Arbeit sinn­stif­tend sein muss?
Ich bin zur Triodos Bank gekom­men, um die mir wich­ti­gen Wer­te nicht nur im pri­va­ten son­dern auch im beruf­li­chen Umfeld leben zu können.

Ich erle­be dies bei den Pro­jek­ten und Unter­neh­men, die wir finan­zie­ren, bei Pro­duk­ten, die wir ent­wi­ckeln wie dem genann­ten kli­ma­neu­tra­len Depot oder Initia­ti­ven, die wir mit­tra­gen wie dem Kli­ma­ab­kom­men der deut­schen Finanzindurstrie.

1980 gegrün­det, um Geld ganz bewusst ein­zu­set­zen und damit die Welt zu ver­än­dern – seit­her ist die Triodos Bank ste­tig gewachsen.

Aus dem klei­nen Unter­neh­men im nie­der­län­di­schen Zeist ist eine euro­päi­sche Nach­hal­tig­keits­bank gewor­den, die in fünf Län­dern aktiv ist – mit über 720.000 Kun­den. Jede Nie­der­las­sung in jedem der fünf euro­päi­schen Län­dern hat ihre eige­ne Exper­ti­se und ist fest in der loka­len Gemein­schaft von Unter­neh­men ver­an­kert, um zusam­men in eine nach­hal­ti­ge Zukunft zu investieren.

Die Bank beschäf­tigt rund 70 Mitarbeiter:innen in Deutsch­land an den Stand­or­ten Ber­lin und Frank­furt am Main.

Wie sieht Ihre Unter­neh­mens­kul­tur aus und wie geht man in Ihrem Unter­neh­men mit­ein­an­der um?
Wir set­zen uns nach außen für einen sozi­al-öko­lo­gi­schen Wan­del ein. Das kön­nen wir nur dann tun, wenn wir von unse­ren Wer­ten auch in der Orga­ni­sa­ti­on selbst über­zeugt sind. Und das sind wir. Die Ein­stel­lung zum respekt­vol­len Umgang mit Mensch und Umwelt spie­gelt sich in all unse­ren inter­nen Pro­zes­sen wider. Wir emp­fin­den uns als Gemein­schaft, die sich aus Über­zeu­gung dem The­ma Nach­hal­tig­keit wid­met. Da wird auch mal über Wer­te und Hal­tung dis­ku­tiert. Bei alle­dem steht das wert­schät­zen­de Mit­ein­an­der im Vor­der­grund.

Wie soll­te die Welt in 10 Jah­ren aus­se­hen und was sind die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen auf die­sem Weg?
Die Welt­ge­mein­schaft hat sich mit den SDGs wich­ti­ge Zie­le gesetzt, die unse­re Welt bis 2030 umfas­send nach­hal­ti­ger und gerech­ter machen sol­len. Ich hof­fe, dass wir vie­le die­ser Zie­le tat­säch­lich errei­chen. Die Kli­ma­kri­se ist sicher­lich eine der größ­ten Her­aus­for­de­run­gen, die sich uns in den nächs­ten Jah­ren stellt. Uns bleibt nur noch ein klei­nes Zeit­fens­ter, um das Schlimms­te zu ver­hin­dern. Aber es gibt Hoff­nung. Die jun­ge Gene­ra­ti­on um die Fri­days-For-Future-Bewe­gung will etwas ver­än­dern. Wer hät­te gedacht, dass eine jun­ge Schwe­din mit einem Papp­schild und ihrem Auf­ruf zum Kli­ma­streik eine glo­ba­le Kli­ma­be­we­gung aus­lö­sen würde?

Auch das nach­hal­ti­ge Unter­neh­mer­tum ist im Auf­wind. Es inter­es­sie­ren sich immer mehr Men­schen dafür, dass nicht nur ihre Lebens­mit­tel fair und öko­lo­gisch erzeugt wur­den, son­dern auch ihre Klei­dung und ande­ren Kon­sum­gü­ter. Die­se Dyna­mik ist nicht mehr auf­zu­hal­ten und ver­stärkt sich hof­fent­lich in den nächs­ten zehn Jah­ren wei­ter deutlich.

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