Eigentlich klingt es ganz logisch: Was wir heute bauen, ist für die Zukunft gedacht und steht auch in Jahrzehnten noch. Allein diese Tatsache unterstreicht die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Wohnungsbau. Welche Verantwortung die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte I Wohnstadt (NHW), eines der größten deutschen Wohnungsunternehmen, außerdem übernimmt, erzählt Dr. Thomas Hain, Leitender Geschäftsführer, im Interview.
Herr Dr. Hain, welche Grundsätze verfolgen Sie mit Ihrem Unternehmen heute, um Verantwortung für das Gemeinwohl zu tragen?
„Nur wer angemessen wohnt, führt auch ein menschenwürdiges Leben.“ Obwohl die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte I Wohnstadt (NHW) in 100 Jahren zum größten hessischen Wohnungsunternehmen mit vielschichtiger Konzernstruktur herangewachsen ist: Dieser Grundsatz gilt bis heute – auch für Marken und Tochterunternehmen, die sich mit Regional‑, Stadt- und Projektentwicklung oder der Start-up-Kultur rund ums Wohnen befassen. Mit einzubeziehen wäre hier ebenfalls die von uns schon 2019 angestoßene deutschlandweite Brancheninitiative zum Erreichen der Klimaziele in der Wohnungswirtschaft (Initiative Wohnen.2050), die schon innerhalb kurzer Zeit fast 80 Partner gewinnen konnte.
Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte I Wohnstadt wurde von den von uns befragten Experten zu einem der Unternehmen gewählt, die helfen, die Welt ein Stück besser zu machen. Welche Bedeutung hat nachhaltiges Wirtschaften für Ihr Haus heute und welchen Weg sind Sie dafür gegangen?
Ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit ist für uns integraler Bestandteil unseres Unternehmens. Dazu gehörte für uns der systematische Aufbau einer Managementstruktur, die Nachhaltigkeit mit allen Organisationseinheiten und Kerngeschäftstätigkeiten verzahnt. Das war und ist essenziell für den langfristigen Erfolg und den erforderlichen Kulturwandel im Haus. Dadurch haben wir nicht nur in der Region, sondern auch innerhalb der Wohnungswirtschaft eine Vorreiterrolle übernommen. Seit 2014 berichten wir über unsere Nachhaltigkeitsaktivitäten gemäß dem internationalen GRI-Standard. Ein übergeordnetes Ziel ist, bezahlbares Wohnen und Klimaneutralität miteinander zu vereinbaren. Um die zunehmend komplexen Maßnahmen gezielter steuern zu können, haben wir ein eigenes Kompetenzcenter Nachhaltigkeitsmanagement mit einem nochmals erweiterten Team etabliert. Bis 2050 wird die NHW dafür ihren gesamten Wohnungsbestand klimaneutral entwickeln, möglichst ohne zusätzliche Belastungen für die Mieter. Das hat unser Unternehmen im Herbst 2019 gemeinsam mit dem Land Hessen, das auch Anteilseigner ist, in einer Zielvereinbarung festgelegt.
Im Zuge der Klimadiskussion kann kaum ein Unternehmen darauf verzichten, sich mit Nachhaltigkeitsfragen zu beschäftigen. Glauben Sie, dass Nachhaltigkeit nur ein weiteres Buzzword ist oder gehen Unternehmen langsam wirklich den Weg eines verantwortungsvollen Umgangs mit den Ressourcen unseres Planeten?
Fakt ist: Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von historischem Ausmaß. Daher haben sich viele Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben – zumal es medial, durch Untersuchungen, Umfragen und Studien sowie durch Initiativen wie Fridays for Future verstärkt ins Rampenlicht gerückt ist. Doch letztendlich geht es darum, dieses Thema in all seinen Facetten auch zu leben, umzusetzen und als integrativen Bestandteil in eine vorhandene Unternehmens-DNA zu übertragen – in alle Geschäftsfelder hinein und hin zu jedem einzelnen Mitarbeiter. Mit bloßen Lippenbekenntnissen und Green Washing ist es heute längst nicht mehr getan – damit sind die hoch gesteckten, in Paris multilateral vereinbarten Klimaziele sicherlich nicht zu erreichen. Das gilt ganz besonders in der Wohnungswirtschaft. Wir denken von jeher in Jahrzehnten. Was wir in 20 oder 30 Jahren erreichen wollen, müssen wir heute anstoßen. Oder andersrum: Was wir heute bauen, steht auch in Jahrzehnten noch. Meine Einschätzung: Wir sind als Gesellschaft mittlerweile gut unterwegs, haben uns jedoch spät auf den Weg gemacht.
Dr. Thomas Hain ist seit Oktober 2013 leitender Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt. Hain studierte Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er war unter anderem Marktteamleiter der HYPO Vereinsbank Leipzig, Leiter der Immobilienabteilung der Deutschen Kreditbank Leipzig und Geschäftsführer der VOLKSWOHNUNG GmbH Karlsruhe. Seit 2015 amtiert er als Vorsitzender des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft Großer Wohnungsunternehmen (AGW).
Wir fragten konkret nach Unternehmen, deren Produkte oder Dienstleistungen Menschen in ihrer Gesundheit, ihrer Bildung oder anderen Lebensbereichen wirksam unterstützen oder die dazu beitragen, das Ökosystem zu entlasten. Für unsere Leser würden wir gerne erfahren, welche konkreten Beispiele der NHW Sie uns benennen können.
Unsere Nachhaltigkeitspalette ist seit vielen Jahren breit aufgestellt, angefangen bei Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele: Die Bundesrepublik Deutschland hat sich verpflichtet, die CO2-Emissionen im Gebäudesektor bis 2030 um rund 40 Prozent auf 72 Millionen Tonnen zu senken. Dafür müsste rein rechnerisch der CO2-Ausstoß in 80 Prozent aller Gebäude in der Bundesrepublik halbiert werden. Das erfordert eine immense Modernisierungsleistung. Die NHW setzt sich intensiv für dieses Ziel ein. Die sukzessive Modernisierung unseres eigenen Bestands ist dafür der wichtigste Hebel. Es gilt, zeitnah mehr Wohneinheiten energetisch zu verbessern und den Einsatz von erneuerbaren Energien zu erhöhen. Zugleich haben wir uns verpflichtet, Mieten nach Modernisierungen nur sozial verträglich zu erhöhen. Aber unser Engagement in Sachen Nachhaltigkeit ist weit umfassender: Schon seit Jahren verfügen wir über einen zentralen Einkauf, der Materialien, Produkte und auch unsere Dienstleister auf die von uns postulierten Nachhaltigkeitskodizes hin überprüft. Wir unterstützen Biodiversität durch Bienenwiesen, Ansiedlung von Bienenvölkern, Nistkästen oder das Anlegen von „Essbare (Mieter)gärten“ mit Kräutern, Obst und Gemüse. Bildung wird ebenfalls vielfältig gefördert: Durch Kooperationen mit Universitäten bei Wettbewerben und Preisvergaben, aber auch in unseren Quartieren durch Musik- sowie Kultur-Angebote für Kinder und Jugendliche. Hinzukommen Maßnahmen zur Ausbildungs- und Jobvermittlung wie auch kostenfreie bis erschwingliche haushaltsnahe und modular aufgebaute Dienstleistungen für unsere älteren Mieter. All das steht für den gesellschaftlichen Ur-Mehrwert der Wohnungswirtschaft: Menschen eine erschwingliche Heimat mit einem Kanon an Rahmenangeboten zu bieten.
Haben Sie derzeit Projekte in der Pipeline, die zukünftig einen wertvollen ökologischen, technologischen oder gesellschaftlichen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und Allgemeinwohl leisten werden?
Besonders im Fokus steht der Ausbau der E‑Mobilität, mit dem wir uns kontinuierlich beschäftigen, da sich hier der Markt rasch verändert. Fest steht, dass wir nicht nur im eigenen Fuhrpark, sondern auch den Mietern in unseren zahlreichen Quartieren damit eine ressourcenschonende Möglichkeit der Fortbewegung zur Verfügung stellen wollen. Als eines der ersten deutschen Wohnungsunternehmen haben wir zudem grüne Schuldscheindarlehen und Namensschuldverschreibungen erfolgreich am Kapitalmarkt platziert. Diese Mittel werden eingesetzt, um den NHW-Wohnungsbestand energetisch zu modernisieren. Ebenso werden wir – ganz im Sinne einer gesellschaftlich-wirtschaftlichen Gesamtaufgabe und weit über den eigenen Purpose hinaus – die von uns angestoßene Initiative Wohnen.2050 zur Unterstützung der politischen Arbeit des GdW — Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen weiter vorantreiben. Schon nach wenigen Monaten existieren bereits praxisnahe Excel-Werkzeuge, die es den Partnern ermöglichen, individuell für ihr Wohnungsunternehmen ihre eigene Klimastrategie aufzubauen.
Für Berufseinsteiger, die sich für die NHW interessieren, ist eine Frage wichtig: Wie können sie sich mit ihrer Arbeit an einer sinnstiftenden Aufgabe beteiligen, die dem Gemeinwohl dient?
Was uns besonders kennzeichnet, ist unser einzigartiger gesellschaftlicher Auftrag: Bei uns können Menschen daran mitarbeiten, einen Mehrwert zu generieren – nämlich anderen Menschen ein bezahlbares Dach über dem Kopf zu geben. Ein Zuhause, das dank zahlreicher Zusatzangebote auch Heimat ist. Und dies mit dem klaren Ziel einer nachhaltigen Entwicklung unserer Tätigkeiten im Kerngeschäft – nicht nur in sozialer und ökonomischer sondern auch in ökologischer Hinsicht: Wir wollen in unserem Einflussbereich dazu beitragen, menschliche Lebensgrundlagen zu bewahren. Das ist die Sinnstiftung, die wir Berufseinsteigern bieten können. Dazu brauchen wir Menschen, die nicht nur auf den Gehaltszettel schauen, sondern sich auch engagieren wollen.
Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW), Frankfurt am Main und Kassel, bietet Dienstleistungen rund ums Wohnen, Bauen und Entwickeln. Mit rund 59.000 Mietwohnungen in 130 Kommunen in Hessen gehört sie zu den zehn führenden deutschen Wohnungsunternehmen. Unter der Marke ProjektStadt werden Kompetenzfelder gebündelt, um nachhaltige Stadtentwicklungsaufgaben durchzuführen.
Als Unternehmen der Wohnungswirtschaft / Immobilienwirtschaft beschäftigt die 1920 gegründete NHW etwa 750 Mitarbeiter:innen an 38 Standorten in drei Bundesländern.
Wie zahlreiche andere Unternehmen auch, positioniert sich die NHW in den letzten Jahren verstärkt als attraktiver Arbeitgeber in sich rasch verändernden Arbeitswelten: 37-Stunden-Woche, flexible Arbeitszeitmodelle, umfangreiche Sozialleistungen, Potenzial- und Karriereförderung auf allen Ebenen. Dies auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und eines wachsenden Bedarfs an Fach- und Führungskräften. Das vorbildliche betriebliche Gesundheitsmanagement wurde bereits zwei Mal ausgezeichnet. Zudem ist die NHW seit 2013 als familienfreundliches Unternehmen zertifiziert, ebenso steht die Vereinbarkeit von Pflege und Arbeit im Fokus.
Wie wichtig ist es für Sie persönlich, dass Arbeit sinnstiftend sein muss?
Ich halte es hier mit dem amerikanischen Philosophen Ralph Waldo Emerson: „Wessen wir am meisten im Leben bedürfen, ist jemand, der uns dazu bringt, das zu tun, wozu wir fähig sind.“ Das ist für mich eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Aufgabe von Führungskräften: Dem einzelnen Mitarbeitenden und dem Team etwas zutrauen, Freiräume gewähren, Eigenverantwortung übertragen, Kreativität und Innovation zulassen und auch mal ein Scheitern oder einen nötigen Richtungswechsel zu akzeptieren. Bei einem solch offenen Führungsansatz kann das Gesamtergebnis nur positiv ausfallen. Die letzten Jahre waren ein eindeutiger Beleg dafür. Das ist genau das, was mich als Führungskraft stolz macht.
Ein tolles Arbeitsklima kann ja ebenfalls zu einer positiven Beeinflussung der Gesellschaft beitragen. Wie würden Sie die Unternehmenskultur der NHW beschreiben?
Auf Basis ihrer 100-jährigen Unternehmenshistorie verfügen Nassauische Heimstätte und Wohnstadt über eine gewachsene Identität. 2013 haben 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Monate in mehreren intensiven Workshops an einer zeitgemäßen Mission und Vision gearbeitet. Das aus ihrer Mitte entstandene Unternehmensleitbild mit den zentralen Begriffen „Mensch“ und „Raum“ legt einen verbindlichen Werte-Kanon für die Unternehmensgruppe fest, der seit 2014 Richtschnur ist. Wir versuchen, diesen Anspruch auch täglich zu leben. Das kann durchaus anstrengend sein – aber es lohnt sich!
Wenn Sie in die Zukunft blicken: Welche Veränderungen kommen auf uns zu?
Ich bin davon überzeugt, dass Corona unsere Innenstädte verändern und den Strukturwandel extrem beschleunigen wird. Ebenso denke ich, dass diese neue Situation bei jedem Einzelnen etwas bewirkt hat: eine Verhaltensänderung, eine Rückbesinnung auf Werte wie Miteinander und Zusammengehörigkeit sowie eine größere Akzeptanz und Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen. Wenn auch nach der Pandemie diese für eine intakte Gesellschaft wesentlichen Faktoren bewahrt werden, haben wir diese schwere Krise in eine Chance für die Zukunft verwandelt.