Nachhaltig sein ist in der heutigen Gesellschaft zu einem Ideal geworden. Viele Unternehmen strukturieren sich in Richtung umweltbewusstes Denken um und nehmen die ESG-Kriterien (Economic, Social and Governace) als Leitfaden. Nur wenige Unternehmen hatten bereits bei Ihrer Gründung das Ziel die Welt besser zu machen vor Augen. Zu diesen Raritäten zählt die GLS Bank. Vorständin Aysel Osmanoglu verrät in einem Interview, wie die Visionen einer besseren Welt bei der GLS Bank aussehen und wie sie diese umsetzen.
Welche Verantwortung für das Gemeinwohl tragen Unternehmen heute?
Jedes Unternehmen trägt zweifellos gesellschaftliche Verantwortung. Das fängt beim Umgang mit den Mitarbeitenden an, geht über die Auswahl der verarbeitenden Materialien und der gesellschaftlichen Wirkung, bis hin zu grundsätzlicher Haltung gegenüber Stakeholdern. Das komplette Geschäftsmodell sollte darauf ausgerichtet sein, dass es dem Menschen dient.
Welche Bedeutung hat nachhaltiges Wirtschaften für Ihr Haus heute und welchen Weg sind Sie dafür gegangen?
Der Impuls der Gründer der GLS Bank war es nicht eine Bank zu gründen, sondern Projekte zu ermöglichen. Damals wie heute war es unser Ansatz, Geld dorthin zu bringen, wo es unter sozial und ökologischen Gesichtspunkten wirken kann. Geld ist für uns ein Mittel, Umwelt und Gesellschaft zu gestalten. Dabei steht der Mensch mit seinen Bedürfnissen stets im Mittelpunkt. Der ökonomische Gewinn ist für uns eine Folge – aber nicht der Zweck unseres nachhaltigen Wirtschaftens.
Die GLS Bank entstand zunächst aus einem Verein, der „GLS Treuhand e.V.“ in den 1960er Jahren – einer Zeit mit viel gesellschaftlicher Bewegung. Mit Zunahme des Kreditgeschäfts brauchten die Gründer eine Banklizenz, mit welcher sie 1974 die GLS Bank gründeten.
Damals wie heute treibt uns der Wunsch die Welt besser machen zu wollen. Dazu nutzen wir in der Anlage,- sowie Finanzierung von Geldern konsequente Standards und Leitlinien. Wir haben strenge Ausschlusskriterien, wie Atomenergie, Rüstung, Pestizide und Massentierhaltung. Gleichzeitig aber auch Positivkriterien wie erneuerbare Energie, ökologische Landwirtschaft und soziale Verantwortung.
Was empfinden Sie persönlich, wie gut wir unterwegs sind zu einer Welt, die behutsamer mit dem Leben und den Ressourcen auf dem Planeten umgeht?
Wir sind auf dem Weg, aber lange nicht weit genug, viel zu langsam und wenig zielgerichtet. Diese Gesamtsicht bezieht sich gar nicht auf die einzelnen Unternehmen. Die Diskussion ist schon so weit, dass Unternehmen sich in Richtung Nachhaltigkeit orientieren. Und sei es nur aus Image-Gründen, weil der gesellschaftliche Druck immer weiter zunimmt. Die FridaysForFuture-Bewegung hat immens dazu beigetragen Nachhaltigkeit als eine Unternehmenspriorität zu sehen. Häufig wird es allerdings nur dann umgesetzt, wenn es nicht im Konflikt mit ökonomischem Profit steht. Da liegt das Problem. Die Zivilgesellschaft ist schon recht weit und übt dadurch immer stärker Druck auf Politik und Wirtschaft aus.
Können Sie den Lesern konkrete Beispiele dafür nennen, wie Ihre Dienstleistungen die Menschen in Gesundheit, ihrer Bildung oder anderen Lebensbereichen unterstützt oder dazu beiträgt, dass das Ökosystem entlastet wird?
Die GLS Bank finanziert Kredite in den Branchen Bildung und Kultur, Erneuerbare Energien, Soziales & Gesundheit, Wohnen, Ernährung und Nachhaltige Wirtschaft. Wir finanzieren ausschließlich nachhaltige Unternehmen und Projekte. So können neue soziale und ökologische Angebote in unserer Gesellschaft entstehen.
In der Branche Gesundheit finanzieren wir zum Beispiel Pflegeeinrichtungen, bei denen es nicht nur darauf ankommt, dass das Gebäude mit nachhaltigen Baustoffen gebaut und wenig Energie verbraucht wird, sondern auch, dass den Bewohner:innen ein würdevolles Leben ermöglicht wird.
Mit der Finanzierung der EWS Schönau, einer bürgereigenen Genossenschaft, welche bereits seit 1998 in die Zukunft – für eine unabhängige Energieversorgung ohne Kohle und Atom – investiert, haben wir einen Pionier in dem Bereich unterstützt. Genauso glauben wir heute an viele Unternehmen, die an ihrem Teil der wirtschaftlichen Transformation arbeiten und helfen ihnen auf ihrem Weg.
Aysel Osmanoglu wurde 1977 in Bulgarien geboren. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks emigrierte ihre Familie 1989 in die Türkei, wo sie in Istanbul ihr Berufsabitur absolvierte. Mit 18 Jahren fasste sie den Entschluss, nach Deutschland auszuwandern. Die nächsten Stationen waren Heidelberg, wo sie Volkswirtschaftslehre studierte, und Frankfurt am Main, wo sie ein Studium der Betriebswirtschaftslehre absolvierte. Parallel zu ihrem Studium arbeitete sie ab 2002 als studentische Aushilfe bei der Ökobank, welche gerade im Begriff war, mit der GLS Bank zu fusionieren. Nach dem Abschluss des Studiums begann sie 2006 als Trainee bei der GLS Bank. Im Jahr 2013 wurde sie Bereichsleiterin der Ressorts Basisgeschäft und Marktfolge. Aysel Osmanoglu ist seit dem 1. Oktober 2017 Vorstand der GLS Bank. Sie ist verantwortlich für das Ressort Infrastruktur und IT, sowie für die Mitarbeiterentwicklung.
Gibt es Dienstleistungen, die Sie in der Pipeline haben und die zukünftig einen wertvollen ökologischen, technologischen oder gesellschaftlichen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und Allgemeinwohl leisten können?
Wir arbeiten daran die Wirkung des Geldes noch sichtbarer zu machen.
Unser Team der Wirkungsmessung hat für unser Kredit- und Anlageportfolio Kennzahlen entwickelt. Diese zeigen, was Unternehmen mit ihrem Kerngeschäft zum Klimawandel beitragen. Mit unserem Kreditportfolio und unserem eigenen Klimafonds liegen wir bei deutlich unter 2 Grad und damit im Einklang des Pariser Abkommens.
Diese Wirkungsmessung werden wir in Zukunft sukzessive ausweiten. Durch diese Arbeit haben wir mittlerweile ein großes Netzwerk und jede Menge Expertise. Wir sind als Multiplikator unterwegs, um möglichst viele Unternehmen und auch Banken vom nachhaltigen Wirtschaften zu überzeugen und die Transformation voranzutreiben.
Welche Vision von Zukunft können Sie für Berufseinsteiger und Absolventen entwerfen, die Sie bei Ihrer Version begleiten möchten?
Unsere Vision ist eine Wirtschaft zu finanzieren, die einen positiven gesellschaftlichen Mehrwert stiftet und letztlich dem Menschen dient. Alle Unternehmen und Projekte, die wir bisher begleiten durften, haben bereits heute Lösungen für unsere gesellschaftlichen Probleme und machen unser Leben lebenswerter. Diese Zukunftsbilder, die unser Leben unmittelbar beeinflussen, wie Ernährung, Bildung, Energie oder Kultur, gilt es auch in Zukunft zu begleiten und zu finanzieren. Wir haben das Bild einer Wirtschaft, die mit den begrenzten Ressourcen unseres Planeten schonend und regenerativ umgeht. Unser Handeln soll die Lebenschancen heutiger und zukünftiger Generationen bewahren und ihre Weiterentwicklung fördern. Wir entwerfen Bilder einer Zukunft, die wir wollen und arbeiten daran.
Wie geht man in Ihrem Unternehmen miteinander um?
Unsere Unternehmenskultur ist von einem offenen und ehrlichen Umgang miteinander geprägt. Wir pflegen einen respektvollen Dialog und einen Führungsstil, der von einem ganzheitlichen Menschenbild ausgeht. Deshalb ist uns wichtig, dass die Menschen unabhängig von ihrer Position, Verantwortung für ihre eigenen Projektideen übernehmen. Um Verantwortung übernehmen zu können, muss sich ein Mensch sicher in seiner Umgebung fühlen. Sich selbst und seine persönlichen Fähigkeiten gut kennen. Das unterstützen wir durch Feedback-/Feedforward Trainings und Workshops zum Thema (Selbst-)Reflektion. Auch der Austausch untereinander und mit den Kund:innen ist uns sehr wichtig. Dazu bieten wir immer wieder Formate, wie interne Barcamps, Diskussionsforen oder Initiativen an, in denen sich jede:r einbringen kann.
Wie sollte die Welt in 10 Jahren aussehen und was sind die größten Herausforderungen auf diesem Weg?
Die Corona-Krise, zehn Jahre zuvor, wird uns wachgerüttelt haben: Wohlstand ist anders definiert – Wirtschaftswachstum ist nicht länger die wesentliche Größe. Das Glück und die Zufriedenheit der Menschen spielen viel größere Rollen. In zehn Jahren haben wir uns auf unsere Menschlichkeit besonnen und begegnen einander, in dem wir uns mit viel mehr Interesse und Liebe gegenüberstehen.
In 10 Jahren gibt es kein Wirtschaftsunternehmen mehr, das sich nicht ehrlich mit der eigenen sozialen und ökologischen Wirkung auseinandergesetzt hat. Der Gewinn steht nicht an erster Stelle. Geld wird als Gestaltungsmittel für Umwelt und Gesellschaft genutzt werden. Das Modell der GLS Bank ist Standard und nicht Alternative.
Es liegt an uns Zukunftsbilder zu schaffen. Dafür müssen wir ins Gespräch gehen, vor allem mit der jüngeren Generation, denn sie müssen am längsten in der von uns gezeichneten Zukunft leben.