Von Accessoires, über Schuhe bis hin zu Klamotten, bei dem Online Marktplatz Avocadostore, für faire Mode und nachhaltige Produkte, gibt es für jeden das passende. Das Hamburger Startup hat die Bedeutung eines nachhaltigen Lebensstiles erfasst und unterstützt mit ihrem Tun den Wandel der Gesellschaft. Ihre Mission dabei ist: Qualität statt Quantität. Mimi Sewalski Geschäftsführerin von Avocadostore berichtet uns, wie sie es schaffen klimaneutral zu Arbeiten und welche Herausforderungen es in den nächsten Jahren geben wird, bis wir wieder auf einen „gesunden Planeten“ leben.
Welche Verantwortung für das Gemeinwohl tragen Unternehmen heute?
Früher wurde oft unterschieden zwischen „Business=professionell“ und „Social=gut, aber unprofessionell“ gemacht. Als nachhaltiges Unternehmen, welches somit auch zum Gemeinwohl beitragen möchte, hören wir oft: There is no social business without business. Es ist nicht, dass wir da nicht zustimmen, aber das Erstaunliche ist doch, dass es eine Trennung zu geben scheint. Warum eigentlich? Schließlich beweisen sehr viele Unternehmen, dass man durchaus ein erfolgreiches Geschäft aufbauen kann, welches sehr wohl zum Gemeinwohl beiträgt. Je größer und erfolgreicher ein Unternehmen ist, desto höher sollte die Verantwortung sein, denn mit Größe steigt auch der Impact. Es wäre schön, wenn der Satz in Zukunft lautet: There is no business without social business. Die C19-Krise hilft definitiv, dass wir uns alle wieder mehr auf unsere Werte beziehen und Bestehendes hinterfragen. Eine Krise ist auch immer eine Chance, bestehende Prozesse neu zu gestalten. Allerdings bedeutet Krise auch Existenzsorgen, kleinere Budgets und neue Prioritäten und da wird es wohl leider so kommen, dass das Überleben eines Unternehmens oft vor dem Gemeinwohl kommt.
Welche Bedeutung hat nachhaltiges Wirtschaften für Ihr Haus heute und welchen Weg sind Sie dafür gegangen?
Egal ob Konsument:in oder Unternehmen: Nachhaltigkeit ist immer ein Prozess. Das liegt zum einen daran, dass man sehr viele Informationen braucht, um herauszufinden, was nachhaltiges Handeln in bestimmten Situationen bedeutet. Zum anderen liegt es an der Nachhaltigkeit selbst. Der Begriff ist schwammig, oft subjektiv interpretiert und wirklich nicht leicht zu fassen. Avocadostore ist auch ein gutes Beispiel für die Dynamik des Begriffes Nachhaltigkeit. Als wir Avocadostore 2010 gegründet haben, war die Avocado die Symbolfrucht der Ökobewegung, sie stand für gesunde, vegane und klimafreundliche Ernährung, ist außen und innen grün und hat einen harten Kern. Perfekt als Namensgeberin für einen grünen Online Marktplatz. Was wir damals noch nicht wussten: Wie schlecht die Avocado-Produktion für das Klima und die Bauern vor Ort ist. Nachhaltigkeit ist nie klar „ja“ oder „nein“, sondern ein Diskurs, den man führen muss. Was erst mal anstrengend klingt, ist gar nicht so schlimm: Transparenz, Kommunikation und Information sind die Schlüssel. Genauso arbeiten wir auch intern. Wir haben sehr flache Hierarchien, nehmen uns viel Zeit für Kommunikation und Entscheidungen werden transparent gemacht. Interessant ist, dass wir innerhalb unseres Unternehmens dauernd und immer wieder darüber nachdenken, was wir hier für die Nachhaltigkeit tun können. Fairer Kaffee, Karaffen statt Mineralwasser oder Handtücher im Bad klingen selbstverständlich, aber was ist mit Möbeln, Computern, Servern oder Catering? Hier haben wir uns als Team Stück für Stück herangetastet. Ein stark wachsendes Team muss sich immer wieder neu finden und gemeinsame Werte können eine große Hilfe dabei sein. Nachhaltigkeit bedeutet für uns Ganzheitlichkeit, das heißt wir versuchen in allem was wir tun so nachhaltig wie möglich zu handeln, ohne dabei zu viel persönliche Freiheit einzuschränken. So gibt es bei uns an der Kaffeemaschine Bio-Milch und Hafermilch, weil wir niemanden vorschreiben möchten, sich vegan zu ernähren.
Mimi Sewalski: Soziologin, Autorin und Geschäftsführerin von Avocadostore, Deutschlands größtem Online Marktplatz für Eco Fashion & Green Lifestyle in Hamburg. Seit 2011 baut sie die digitale Nachhaltigkeitsplattform mit über 250.000 nachhaltigen Produkten kontinuierlich und erfolgreich aus. Vor Avocadostore hat sie einige Jahre in Hightech Startups in Tel Aviv, in der Werbebranche und in der Gastronomie gearbeitet und kann nun ihr Wissen rund um agiles Arbeiten, Digitales und nachhaltigen Markenaufbau bei Avocadostore optimal zusammenbringen.
Im Juni 2020 erschien ihr Buch „Nachhaltig leben JETZT“, mit Fakten, Hintergründen und Tipps für einen nachhaltigeren Lebensstil.
Was empfinden Sie persönlich, wie gut wir unterwegs sind zu einer Welt, die behutsamer mit dem Leben und den Ressourcen auf dem Planeten umgeht?
Bereits in den Achtzigern gab es eine kleine „Ökowelle“, als klar wurde, dass FCKW und saurer Regen zu Waldsterben und Ozonloch führen. Das war vor fast 40 Jahren!!! Wir haben die Zeit wirklich nicht gut genutzt, das Thema nicht ernst genug genommen und erst mal so weitergemacht, als wäre alles schon nicht so schlimm. Das rasante Insekten- und Vogelsterben, der Zustand unserer Böden und die Zerstörung des Regenwaldes sind keine Probleme von einigen „Ökos“, sondern eine existentielle Bedrohung für unseren Planeten und somit auch für uns und unsere Kinder. Dafür passiert ganz klar zu wenig, sowohl von der Politik als auch von jedem einzelnen von uns. Dabei gäbe es gerade für Unternehmen auch einige sehr leichte Schritte, die schon großen Impact haben, wie zum Beispiel Ökostrom statt konventionellen Stroms zu kaufen. Der Wechsel dauert 10 Minuten und bewirkt so viel.
Wir fragten konkret nach Unternehmen, deren Produkte oder Dienstleistungen Menschen in ihrer Gesundheit, ihrer Bildung oder anderen Lebensbereichen wirksam unterstützen oder die dazu beitragen, dass das Ökosystem entlastet wird. Können Sie den Lesern konkrete Beispiele dafür nennen, an welchen Stellen dies für Ihr Unternehmen zutrifft?
Avocadostore hat verschiedene Ebenen, schon alleine deswegen, weil wir nicht nur ein Shop, sondern ein Marktplatz sind. Das heißt über 950 nachhaltige Anbieter, Label, Designer und Start-Ups verkaufen ihre grünen Produkte über uns. Wir sind eine Art Netzwerkknoten, verteilen Informationen, verknüpfen Hersteller und sind somit auch Schnittstelle zwischen Konsumenten und Herstellern. Vielen neuen Start-Ups können wir wertvolle Tipps geben, zum Beispiel wie Produkte und Verpackung idealerweise aussehen sollten oder ähnliche Dinge. Man darf nicht vergessen, dass viele dieser Start-Ups Quereinsteiger sind, die sich in neue Bereiche trauen, weil sie für das Thema brennen. Unsere Mission ist es, für jedes herkömmliche Produkt eine nachhaltigere Alternative zu finden. Das Problem ist dabei leider, dass wir als Konsumenten uns manchmal nicht an diese neuen Produkte herantrauen. Vor zehn Jahren war es überhaupt noch nicht üblich, einen Mehrweg-To-Go-Becher dabeizuhaben. Dies beduetet unsere Aufgabe ist es auch, Konsumenten zu inspirieren, diese Produkte auszuprobieren, zu zeigen, wie es funktioniert, aber auch die Fakten zu liefern, zum Beispiel wie viel Müll ein Mehrwegbecher einspart.
Haben Sie Ideen für zukünftige Produkte oder Dienstleistungen die einen wertvollen ökologischen, technologischen oder gesellschaftlichen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und Allgemeinwohl leisten können?
Wir haben sehr viele Ideen, beispielsweise mehr für eine grünere Logistik zu tun. Das kann ein nachhaltiges Logistikzentrum sein, oder aber, eine Mehrwegverpackung für den Onlineversand. Bei letzterem sind wir bereits in einem Forschungsprojekt beteiligt, wo wir noch dieses Jahr einen Piloten starten und eine Mehrwegverpackung testen. Leider sind beide Themen sehr schwierig in der Umsetzung und nicht von heute auf morgen zu lösen. Wir verwenden bereits jetzt Verpackungen wieder, verzichten auf Schutzverpackungen und versenden klimaneutral (inklusive eventuelle Retouren). Auch tun wir einiges dafür, um Retouren gar nicht erst entstehen zu lassen, zum Beispiel durch möglichst exakte Größenangaben und sehr guten Kundenservice.
Avocadostore ist Deutschlands größter online Marktplatz für Eco Fashion & Green Lifestyle. Mehr als 900 Anbieter, Designer und innovative Start-ups bieten hier inzwischen über 250.000 nachhaltige Alternativen an. Alle Produkte müssen mindestens einem der zehn Nachhaltigkeitskriterien von Avocadostore entsprechen.
Das Unternehmen – welches sich den Bereichen E‑Commerce, Nachhaltigkeit, Plattform und Digital zuordnet – wurde 2010 gegründet und beschäftigt 43 Mitarbeiter:innen in Hamburg.
Für Berufseinsteiger ist die Frage, wie sinnstiftend sie in ihrem Beruf arbeiten können, eine ganz zentrale. Welche Vision von Zukunft können Sie für diejenigen Hochschulabsolventen entwerfen, die Sie dabei begleiten möchten?
Ich habe in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass Bewerber in der Bewerbung vor allem darüberschreiben, was für sie sinnstiftend ist. Man darf aber nicht vergessen, dass das Unternehmen vor allem jemanden nach bestimmten Fähigkeiten sucht, also beispielsweise jemanden, der gut im Kundenservice ist. Ich möchte darauf hinaus, dass Sinn alleine keinem Unternehmen hilft, sondern die Kunst ist es, die eigenen Fähigkeiten so zu entwickeln, dass man eine Tätigkeit findet, die einem liegt, und das in einem Unternehmen, welches die eigenen Werte lebt. Avocadostore hat, wie wohl viele Start-Ups, zu Beginn viele Generalisten:innen und Berufsanfänger:innen eingestellt. Je älter wir werden, desto spezifischer werden nun die Aufgaben. Wir möchten ein Unternehmen sein, was den Mitarbeiter:innen hilft, ihre eigenen Fähigkeiten zu entwickeln, an Aufgaben wachsen, Verantwortung zu übernehmen und das Unternehmen mitzugestalten. Als Vision in der Zukunft sehen wir uns als erste Adresse für nachhaltigen Konsum, also ein Unternehmen, welches es Menschen leicht macht, ihr Leben nachhaltiger zu gestalten.
Wie wichtig ist es für Sie persönlich, dass Arbeit sinnstiftend sein muss?
Für mich ist eine sinnstiftende Arbeit sehr wichtig, allerdings schöpfe ich Sinn auch durch den menschlichen Austausch auf Augenhöhe mit meinen Kollegen:innen und nicht nur durch den Wert Nachhaltigkeit. Dies bedeutet konkret, dass mir ein ehrlicher Austausch, offenes Feedback und Lernen voneinander genauso wichtig ist, wie der Wert Nachhaltigkeit. Da ich als Generalistin gerne vielseitig arbeite, fühle ich mich bei Avocadostore sehr wohl, da wir aufgrund unseres Wachstums, der vielen Produkte, Anbieter und Themen sehr oft neue Probleme und Situationen auf dem Tisch haben. Ich persönlich liebe und brauche das. Es gibt aber auch Menschen, die das genauso stresst, wie mich beispielsweise zu konstante Arbeitsroutinen. Hier muss man Verständnis für die unterschiedlichen Arbeitstypen aufbringen und auch gegenseitig die Wertschätzung nicht vergessen.
In der Eingrenzung des Themas „Arbeitgeber, die helfen, die Welt besser zu machen“ haben wir den Befragten auch die Unternehmenskultur als ein Instrument genannt, über das die Gesellschaft positiv beeinflusst werden kann. Wie geht man in Ihrem Unternehmen miteinander um?
Ich denke, dass es als Unternehmen am wichtigsten ist, sich genau diese Frage immer mal wieder ernsthaft zu stellen. Wie gehen wir miteinander um? Ich hatte oben schon erwähnt, dass wir als Team in den letzten Jahren stark gewachsen sind. Es ist nur natürlich, dass es da auch mal ruckelt, alles andere wäre unrealistisch. Wichtig ist, dass man es nicht unter den Tisch kehrt, sondern anspricht. Wir hatten bei Avocadostore in der Vergangenheit immer mal wieder das Bedürfnis, unsere Werte und unsere Art des Zusammenarbeitens zu hinterfragen. Meist kamen dabei produktive Lösungen heraus, wie beispielsweise eine nötige Strukturveränderung oder ein anderes Meeting-Format, also kleine Veränderungen, die gut umzusetzen waren. Als Führungskraft sollte man offen sein für Feedback und Wünsche von Arbeitnehmern, auch wenn manchmal der angesprochene Wunsch gar nicht die Lösung eines Problems ist. Genau das gilt es herauszufinden. Aber auch als Mitarbeiter:innen sollte man sich unbedingt trauen, Probleme oder Störfaktoren anzusprechen. Chef:innen sind auch nur Menschen, sie machen genauso Fehler wie alle anderen und wünschen sich meist tatsächlich ebenfalls, dass alle gerne zur Arbeit kommen und die Arbeitsatmosphäre stimmt. Eine gute Fehlerkultur zu pflegen ist nicht einfach und braucht Übung, aber ich bin fest davon überzeugt, dass sie viel zu einem tollen Arbeitsklima beitragen kann, weil jeder das Gefühl hat, Themen ansprechen zu dürfen und es dann auch tut.
Wie sollte die Welt in 10 Jahren aussehen und was sind die größten Herausforderungen auf diesem Weg?
Ich wünsche mir, dass es in 10 Jahren möglich ist, ein „sowohl als auch“ zu leben. Das heißt einen gesunden Planeten zu haben, mit dem Komfort unserer modernen, digitalen und globalen Welt. Eine der Herausforderungen wird sein, dass wir alle unser Konsumverhalten hinterfragen müssen und die Werte hinter Produkten wieder kennenlernen müssen. Konkret bedeutet das: weniger ist mehr, also weniger kaufen, aber besser, insbesondere mehr Qualität statt Quantität. Das Gemeinwohl von Unternehmen sollte gefördert und nicht gebremst werden und die Politik muss radikalere Entscheidungen treffen. Dass das geht, hat man ja während des Corona-Lockdowns gemerkt. Wir brauchen dafür mehr Menschen, die an einer Lösung arbeiten und weniger, die nur die Probleme sehen.